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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schon innerhalb seines Rahmens so verändert hatte, daß schwer arbeitende farbige Männer, wie er selbst einer war, ein gewisses Maß an Erfolg und Würde erlangen konnten.
    Frederick betrachtete die Menschen als Idioten des Systems, Herren des Systems oder Opfer des Systems. Das System war für Frederick ausgesprochen klar; es war die politische Struktur, die den Vietnamkrieg unvermeidlich gemacht hatte, die Machtstruktur, die es erhielt, und die gesellschaftliche Struktur, die ihn in den wartenden Schlund verfüttert hatte. Fredericks Reaktion darauf war zweifacher Art gewesen: Er hatte das System verlassen und war in so etwas Irrelevantes wie Forschungsmathematik geflüchtet, und zweitens, er wollte so gut darin werden, daß er die Macht besitzen würde, dort zu bleiben und dem System den Rest seines Lebens zu entfliehen.
    Bis dahin lebte Frederick nur für die Stunden, die er interfaced mit seinen Computern verbringen konnte, mied menschliche Komplikationen, schlief mit Natalie so heftig und kompetent, wie er gegen jeden kämpfte, der ihm in die Quere zu kommen drohte, und brachte Natalie bei, wie sie mit dem 38er Revolver schießen mußte, den er in seinem vollgestopften Apartment aufbewahrte.
    Natalie erschauerte und ließ den Motor an, damit die Heizung funktionierte. Sie fuhr an St. Michael vorbei, bemerkte die Leute, die zu einem frühen Weihnachtsgottesdienst eintrafen, und bog Richtung Broad Street ab. Sie dachte an den Frühgottesdienst an Weihnachten in der Baptistenkirche drei Blocks von ihrem Haus entfernt, den sie so viele Jahre lang mit ihrem Vater besucht hatte. Sie hatte beschlossen, ihn diese Weihnacht nicht mehr zu begleiten, keine Scheinheilige mehr zu sein. Sie hatte gewußt, ihre Weigerung würde ihm weh tun, ihn wütend machen, aber sie war bereit gewesen, auf ihrem Standpunkt zu beharren. Natalie spürte, wie die Leere in ihr in einem Taumel von Kummer wuchs, der beinahe körperlich weh tat. In diesem Augenblick hätte sie alles dafür gegeben, hätte sie bei dem Wortwechsel die kürzere ziehen und morgen früh mit ihrem Vater zur Kirche gehen zu können.
    Ihre Mutter war in dem Sommer, als Natalie neun Jahre alt gewesen war, bei einem Unfall ums Leben gekommen. Es war ein verrückter Unfall gewesen, hatte der Vater ihr an diesem Abend erzählt, als er neben dem Sofa kniete und Natalies Hand in seinen beiden hielt; ihre Mutter war von der Arbeit nach Hause gegangen und hatte dreißig Meter von der Straße entfernt einen kleinen Park durchquert, als ein Cabriolet mit fünf Collegeschülern, alle betrunken und übermütig, über den Rasen gefahren war. Sie schlingerten um einen Springbrunnen herum, verloren im feuchten Gras des Parks die Kontrolle über das Fahrzeug und überfuhren die zweiunddreißigjährige Frau, die sich auf dem Nachhauseweg zu Mann und Tochter und einem Freitagnachmittagspicknick befand und laut Zeugen erst in letzter Sekunde zu dem heranbrausenden Fahrzeug aufsah, und zwar mit einer Miene, die, so ein Passant, nur Überraschung ausdrückte, keinen Schock und kein Entsetzen.
    Am ersten Tag der vierten Klasse hatte Natalies Lehrerin sie einen Aufsatz darüber schreiben lassen, was sie in den Sommerferien erlebt hatte. Natalie hatte das Papier mit den blauen Linien zehn Minuten lang betrachtet und dann sehr sorgfältig mit ihrer schönsten Handschrift und dem neuen Füller, den sie erst am Tag zuvor bei Keener’s Drugs gekauft hatten, geschrieben: Diesen Sommer habe ich das Begräbnis meiner Mutter besucht. Meine Mutter war sehr lieb und freundlich. Sie hat mich sehr lieb gehabt Sie war zu jung, in diesem Sommer zu sterben. Ein paar Jungs, die nicht hätten Auto fahren sollen, haben sie überfahren. Sie mußten nicht ins Gefängnis, oder so. Nach der Beerdigung meiner Mutter sind mein Vater und ich drei Tage zu Tante Leah zu Besuch gefahren. Aber dann kamen wir zurück. Ich vermisse meine Mutter so sehr.
    Als sie den Aufsatz fertig geschrieben hatte, bat Natalie um Erlaubnis, den Waschraum aufsuchen zu dürfen, schritt rasch die fremd-vertrauten Flure entlang und übergab sich mehrmals leise in der dritten Kabine der Mädchentoilette.
    Klischeebilder. Natalie bog von der Broad Street ab Richtung Melanie Fullers Haus. Sie fuhr jeden Tag daran vorbei und verspürte die vertrauten Empfindungen Wut und Trauer; sie wußte, sie folgte demselben Impuls, der einen veranlaßt, immer wieder mit der Zunge den schmerzenden Zahn abzutasten, aber sie fuhr trotzdem. Jeden Tag betrachtete

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