Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
erbärmlichen kleinen Familie machte. Ich hatte gedacht, ich hätte alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, damit ich auf keinem dieser Bilder zu sehen war, aber da hatte ich mich offensichtlich getäuscht.
    Ich saß bei Kerzenschein in der kalten Stein- und Backsteinküche von Grumblethorpe und schüttelte den Kopf. Wie kam das in den Besitz dieses jungen Negers? Offensichtlich suchte jemand nach mir, aber wer? Die Polizei? Woher sollten die den blassesten Schimmer haben, daß ich mich in Philadelphia aufhielt? Nina?
    Mir fiel nichts ein, das einen Sinn ergeben hätte.
    Ich ließ Vincent in einer großen emaillierten Wanne baden, die Anne gekauft hatte. Sie brachte einen Kerosinheizofen herein, aber es war eine kalte Nacht, daher stieg beim Baden Dampf von Vincents weißer Haut auf. Nach einer Weile ging ich zu ihm und half ihm, das Haar zu waschen. Was müssen wir drei für ein Bild abgegeben haben - zwei würdevolle alte Tanten badeten den tapferen jungen Mann, der gerade aus dem Krieg heimgekehrt war und dessen weiße Haut dampfte, während das flackernde Kerzenlicht unsere Schatten drei Meter hoch an die rauhen Wände warf.
    »Vincent, mein Liebster«, flüsterte ich, während ich Shampoo in sein langes Haar rieb, »wir müssen herausfinden, woher dieses Foto stammt. Nicht heute nacht, mein Teurer, auf den Straßen wird viel zuviel los sein, wenn dein Werk entdeckt wird. A>er bald. Und wenn du herausgefunden hast, wer dem farbigen Jungen dieses Foto gegeben hat, wirst du diese Person hierherbringen . zu mir.«

24. Kapitel
     
    Washington, D.C.: Samstag, 27. Dezember 1980
     
    Saul Laski lag in seinem stählernen Sarg und dachte über das Leben nach. Er zitterte in der Kälte der Klimaanlage, zog die Knie zur Brust und versuchte, sich die Einzelheiten eines Frühlingsmorgens auf dem Bauernhof seines Onkels vorzustellen. Er dachte an goldenes Licht, das die dicken Äste von Weiden streifte, und an ein Feld weißer Gänseblümchen hinter dem Bollwerk der Stallungen seines Onkels.
    Saul hatte Schmerzen; seine linke Schulter und der Arm taten unablässig weh, sein Kopf pochte, die Finger kribbelten vor Pein, und der rechte Arm pulsierte unablässig vor Schmerzen, so viele Injektionen hatten sie ihm gegeben. Saul begrüßte die Schmerzen, ermutigte sie. Die Schmerzen waren das einzige verläßliche Fanal in einem dichten Nebel von Medikamenten und Desorientierung.
    Saul war irgendwie losgelöst von der Zeit. Manchmal war er sich dessen bewußt konnte aber nichts dagegen unternehmen. Die Einzelheiten waren da - jedenfalls bis zum Augenblick der Explosion im Bürogebäude des Senats -, aber er bekam sie nicht in chronologische Folge. Eben noch lag er auf seiner schmalen Pritsche in der kalten Edelstahlzelle - in der Wand versenkte Koje, Gitter der Klimaanlage, Edelstahlbank und Toilette, Metalltür, die in die Wand hineinglitt -, und im nächsten Augenblick versuchte er, sich in feuchtem Stroh zu verkriechen, spürte den kalten polnischen Wind durch die Ritzen zwischen den Brettern wehen und wußte, daß der Standartenführer und die Deutschen bald kommen und ihn holen würden.
    Der Schmerz war ein Fanal. Die wenigen Minuten der Klarheit in den ersten Tagen nach der Explosion waren durch Schmerzen geschmiedet worden. Die unvorstellbaren Schmerzen, nachdem sie sein gebrochenes Schlüsselbein gerichtet hatten; grüne Chirurgenkittel in einer keimfreien Umgebung, bei der es sich um jeden x-beliebigen Operationssaal gehandelt haben könnte, jeden Erholungssaal, aber dann der kalte Schock weißer Korridore und der Stahlzelle, Männer in Anzügen mit bunten Ausweisplaketten an Taschen und Kragen, die Schmerzen einer Injektion, gefolgt von Träumen und Diskontinuität.
    Die ersten Verhöre brachten Schmerzen. Die beiden Männer einer kahl und klein, der andere mit blondem Bürstenhaarschnitt. Der kahle Mann hatte mit einem Metallknüppel Sauls Schulter bearbeitet. Saul hatte geschrien, vor Schmerzen geweint, es aber dennoch begrüßt - hatte begrüßt, daß Nebel und Benommenheit gelichtet wurden.
    »Kennen Sie meinen Namen?« fragte der kahle Mann.
    »Nein.«
    »Was hat Ihr Neffe Ihnen erzählt?«
    »Nichts.«
    »Wem haben Sie noch von William Borden und den anderen erzählt?«
    »Niemandem.«
    Später - oder früher, Saul war nicht sicher -, als die Schmerzen verschwunden waren, im wohligen Dämmerzustand nach einer Injektion:
    »Kennen Sie meinen Namen?«
    »Charles C. Colben, Special Deputy Assistant des Deputy

Weitere Kostenlose Bücher