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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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grammatikalisch korrekt, aber mit einem Akzent behaftet, den Natalie nicht zuordnen konnte - es hörte sich an, als hätte ein Westdeutscher Englisch von einem Waliser gelernt, dem es wiederum ein Gelehrter aus Brooklyn beigebracht hatte. Natalie mochte Jack Cohens Stimme. Sie mochte Jack Cohen.
    »Lassen Sie mich die Waffe sehen«, sagte Cohen.
    Saul zog eine kleine Pistole aus dem Hosenbund. Natalie hatte keine Ahnung gehabt, daß Saul eine Waffe besaß. Sie sah wie eine billige Platzpatronenpistole aus.
    Sie fuhren mutterseelenallein auf der linken Spur auf einer Brücke. Mindestens eine Meile war niemand hinter ihnen. Cohen nahm die Pistole und warf sie zum Fenster hinaus, über das Geländer in den dunklen Abgrund. »Wahrscheinlich wäre sie sowieso beim ersten Schuß explodiert«, sagte Cohen. »Es tat mir leid, daß ich es überhaupt vorgeschlagen hatte, aber es war zu spät, mit Ihnen Verbindung aufzunehmen. Und mit den federales hatten Sie völlig recht - Papiere hin, Papiere her, wenn sie diese Waffe bei Ihnen gefunden hätten, dann hätten sie Sie wahrscheinlich an den cojones aufgehängt und alle zwei oder drei Jahre mal reingeschaut, ob Sie immer noch stöhnen. Keine angenehmen Menschen, Saul. Das verdammte Geld hat mich darauf gebracht, daß es sich lohnen könnte. Wieviel Geld haben Sie jetzt eigentlich mitgebracht?«
    »Etwa dreißigtausend«, sagte Saul. »Weitere sechzigtausend überweist Davids Anwalt auf eine Bank in Los Angeles.«
    »Gehört es Ihnen oder David?« fragte Cohen.
    »Mir«, sagte Saul. »Ich habe eine Farm mit neun Morgen in der Nähe von Netanya verkauft, die mir schon vor dem Unabhängigkeitskrieg gehört hat. Ich habe mir überlegt, daß es wahrscheinlich unklug wäre, wenn ich versuchte, an meine Ersparnisse in New York ranzukommen.«
    »Da haben Sie richtig überlegt«, sagte Cohen. Sie befanden sich jetzt in einer Stadt. Quecksilberdampflampen ließen helle Rechtecke über die Windschutzscheibe tanzen und färbten Jack Cohens häßlich-hübsches Gesicht gelb. »Mein Gott, Saul«, sagte er, »haben Sie eine Ahnung, wie schwer es ist, manche der Sachen auf Ihrer Einkaufsliste zu bekommen? Einhundert Pfund C4-Plastiksprengstoff! Druckluftgewehr. Betäubungspfeile! Großer Gott, Mann, wissen Sie überhaupt daß es in den ganzen Vereinigten Staaten nur sechs Händler gibt, die Betäubungsmittelpfeile verkaufen, und man Diplomzoologe sein muß, wenn man auch nur die leiseste Ahnung haben will, wo man diese Geschäfte finden kann?«
    Saul grinste. »Tut mir leid, Jack, aber Sie dürfen sich nicht beschweren. Sehen Sie, Sie sind unser hiesiger deus ex machina.«
    Cohen lächelte leutselig. »Von einem deus weiß ich nichts«, sagte er, »aber durch die machina bin ich gehörig gedreht worden. Wissen Sie, daß ich den in zweieinhalb Jahren angesammelten Urlaub nehmen mußte, damit ich Ihre kleinen Besorgungen erledigen konnte?«
    »Ich werde versuchen, das eines Tages wiedergutzumachen«, sagte Saul. »Hatten Sie noch Probleme mit dem Direktor?«
    »Nein. Der Anruf aus David Eshkols Büro hat das weitgehend bereinigt. Ich hoffe, daß ich zwanzig Jahre nach meiner Versetzung in den Ruhestand auch noch so einen Einfluß habe. Geht es ihm gut?«
    »David? Nein, nach zwei Herzanfällen geht es ihm nicht gut, aber er ist schwer beschäftigt. Natalie und ich haben ihn vor fünf Tagen in Jerusalem gesehen. Er läßt Ihnen schöne Grüße bestellen.«
    »Ich habe nur einmal mit ihm zusammengearbeitet«, sagte Cohen. »Vor vierzehn Jahren. Er kam aus dem Ruhestand und leitete eine Operation, bei der wir den Ägyptern eine ganze russische SAM-Anlage unter den Nasen weggenommen haben. Das hat im Sechstagekrieg vielen Menschen das Leben gerettet. David Eshkol war ein brillanter Taktiker.«
    Inzwischen befanden sie sich in San Diego, und Natalie verfolgte seltsam unbeteiligt, wie sie auf die Interstate 5 und weiter Richtung Norden fuhren.
    »Was haben Sie für Pläne für die nächsten paar Tage?« fragte Saul.
    »Sie unterbringen«, sagte Cohen. »Ich müßte am Mittwoch wieder in Washington sein.«
    »Kein Problem«, sagte Saul. »Werden Sie als Berater zur Verfügung stehen?«
    »Jederzeit«, antwortete Cohen. »Vorausgesetzt, Sie beantworten mir eine Frage.«
    »Und die wäre?«
    »Was geht hier tatsächlich vor sich, Saul? Wo besteht eine Verbindung zwischen Ihrem alten Nazi, dieser Gruppe in Washington und der alten Frau in Charleston? Wie ich es auch zusammenfüge, es ergibt keinen Sinn.

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