Kraft des Bösen
zusammengerollt auf dem Boden, erbrach sich auf sein Seidenhemd und versuchte, sich zu einem Ball zusammenzurollen. Neben Schmerz, Übelkeit und Demütigung verspürte er das überwältigende Gefühl, daß er versucht hatte, Mr. Barent etwas anzutun. Diese Vorstellung war unerträglich. Es war der schlimmste Gedanke, den Tony jemals gehabt hatte. Er weinte, während er sich erbrach und vor Schmerzen stöhnte.
Die Pistole war ihm aus den kraftlosen Fingern auf die schwarze Glasplatte gefallen.
»Oh, Sie fühlen sich nicht wohl«, sagte Barent leise. »Vielleicht sollte Ms. Chen den Revolver auf mich anlegen.«
»Nein«, stöhnte Harod, der sich noch enger zusammenkugelte.
»Doch«, sagte Barent. »Ich möchte es. Sagen Sie ihr, sie soll die Waffe auf mich richten, Tony.«
»Leg an«, sagte er. »Ziel auf ihn!«
Maria Chen bewegte sich langsam, als befände sie sich unter Wasser. Sie hob den Revolver auf, nahm ihn in die zierlichen Hände und richtete ihn auf Tony Harods Kopf.
»Nein! Auf ihn!« Harod krümmte sich, als ihn die Krämpfe wieder übermannten. »Auf ihn!«
Barent lächelte. »Sie muß meine Befehle nicht hören, um ihnen zu gehorchen, Tony.«
Maria Chen spannte den Hahn mit dem Daumen. Die schwarze Öffnung war direkt auf Harods Gesicht gerichtet, Harod konnte Entsetzen und Traurigkeit hinter ihren braunen Augen erkennen. Maria Chen war bisher noch niemals >benützt< worden.
»Unmöglich!« keuchte Harod, der spürte, wie Schmerzen und Übelkeit nachließen, und wußte, daß er möglicherweise nur noch Sekunden zu leben hatte. Er stolperte auf die Füße und streckte die Hände als nutzloses Schild gegen die Kugeln aus. »Unmöglich ... sie ist eine Neutrale!« Er schrie es fast hinaus.
»Was ist eine >Neutrale« wollte C. Arnold Barent wissen. »Ich bin noch nie einer begegnet, Tony.« Er drehte den Kopf. »Bitte drücken Sie ab, Maria.«
Der Hahn schnappte nach vorn. Harod konnte das deutliche Klicken vernehmen.
Maria Chen drückte noch einmal ab.
Und noch einmal.
»Wie unvorsichtig«, sagte Barent. »Wir haben vergessen zu entsichern, Maria, würden Sie Tony bitte zu seinem Sitz helfen?«
Harod saß schlotternd da, Schweiß und Erbrochenes klebten ihm das Hemd an die Brust, er hatte den Kopf gesenkt und die Unterarme auf den Knien liegen.
»Debra wird Sie nach unten bringen und Ihnen helfen, sich zu säubern, Tony«, sagte Barent, »und Richard und Gordon werden hier drinnen saubermachen. Wenn Sie später heraufkommen und im Orion-Salon etwas trinken wollen, bevor wir landen, tun Sie sich keinen Zwang an. Es ist ein einmaliger Ort, Tony. Aber vergessen Sie bitte nicht, was ich Ihnen über die Versuchungen gesagt habe, die andere verspüren werden, die ... äh ... natürliche Ordnung der Dinge zu verändern. Was zumindest teilweise meine eigene Schuld ist, Tony. Es ist zu viele Jahre her, seit die meisten eine ... äh ... Demonstration erlebt haben. Erinnerungen verblassen, selbst wenn es für das Individuum am besten wäre, sie niemals zu vergessen.« Barent beugte sich nach vorne. »Wenn Joseph Kepler Ihnen ein Angebot unterbreiten sollte, werden Sie darauf eingehen. Ist das klar, Tony?«
Harod nickte. Schweiß tropfte auf seine besudelte Hose.
»Sagen Sie ja, Tony.«
»Ja.«
»Und Sie werden sich augenblicklich mit mir in Verbindung setzen?«
»Ja.«
»Guter Junge«, sagte C. Arnold Barent und tätschelte Hirods Wange. Er drehte seinen hohen Sessel herum, so daß nur noch die Lehne zu sehen war, ein schwarzer Obelisk vor dem Sternenhintergrund. Als der Sessel wieder zurückschwang, war Barent fort.
Männer kamen herein, die den Teppich reinigten und desinfizierten. Eine Minute später erschien die junge Dame mit der Taschenlampe und ergriff Harods Ellbogen. Er stieß ihre Hand weg. Maria Chen versuchte, ihn an der Schulter zu berühren, aber er wandte ihr den Rücken zu und stolperte die Treppe hinunter.
Zwanzig Minuten später landeten sie auf dem LAX. Eine Limousine mit Chauffeur wartete am Flughafen. Tony Harod drehte sich nicht um, um der ebenholzfarbenen 747 nachzusehen, die zur Startbahn rollte und abhob.
40. Kapitel
Tijuana, Mexiko: 20. April 1981
Kurz vor Sonnenuntergang fuhren Saul und Natalie mit dem gemieteten Volkswagen Richtung Nordosten aus Tijuana hinaus. Es war sehr heiß. Als sie den Highway 2 hinter sich gelassen hatten, wichen die Vororte einem Labyrinth von gestampften Straßen durch Dörfer mit Blechschuppen und Hütten, die sich zwischen
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