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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Kanülen wurden aus meinem Arm gezogen, Ständer kippten um. Einen Augenblick verlor ich die Kontrolle über alle - Howard, Nancy, Culley, den Arzt und die Schwestern, den Negerjungen, der noch immer mit einem Fleischermesser in der Dunkelheit an der Seite des Hauses im Hof wartete -, aber dann entspannte ich mich, rollte meinen Körper in eine unverkrampfte Haltung und hatte wieder die Kontrolle.
    Mein erster Gedanke war, daß Culley, Howard und der farbige Junge sie gleich im Hof erledigen sollten. Sie konnten Wasser vom Brunnen nehmen und die Flecken vom Kopfsteinpflaster des Hofs spülen. Howard würde sie in die Garage schleppen, die Überreste in einen alten Duschvorhang wickeln, damit das Innere von Dr. Hartmans Cadillac nicht verschmutzt wurde, und Culley wäre innerhalb von fünf Minuten die Gasse entlang bis zur Müllkippe gefahren.
    Aber ich wußte nicht genug. Noch nicht. Wenn sie von Nina kam, mußte ich noch mehr erfahren. Wenn sie nicht von Nina kam, wollte ich herausfinden, wer sie geschickt hatte, bevor wir etwas unternahmen.
    Culley und Howard führten sie ins Haus. Dr. Hartman, Schwester Oldsmith, Nancy und Miß Sewell versammelten sich, während Marvin draußen Wache hielt. Justin leistete mir oben Gesellschaft.
    Das Negermädchen, das behauptete, es käme von Nina, betrachtete im Salon meine Familie. »Es ist dunkel«, sagte Natalie alias Nina mit einer seltsamen, erstickten Stimme.
    Ich benützte das Licht kaum noch. Ich kannte das Haus so gut, daß ich mich mit verbundenen Augen darin zurechtgefunden hätte, und die Familienmitglieder brauchen eigentlich auch kein elektrisches Licht, es sei denn, sie versorgen mich; hier oben reicht das weiche, angenehme Leuchten der medizinischen Monitore für gewöhnlich aus.
    Wenn dieses farbige Mädchen für Nina sprach, fand ich es seltsam, daß sich Nina noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatte. In ihrem Sarg war es doch ganz bestimmt dunkel genug. Wenn das Mädchen log, würde sie in Kürze mit der Dunkelheit vertraut sein.
    Dr. Hartman sprach für mich. »Was wollen Sie, Mädchen?«
    Die Negerin leckte sich die Lippen. Culley hatte ihr geholfen, sich auf den Diwan zu setzen. Meine Familienmitglieder standen alle. Hier und da fiel schwaches Licht auf ein weißes Gesicht oder einen Arm, aber wir müssen wie dunkle Schemen für sie ausgesehen haben, wenn sie zu uns aufschaute. »Ich bin gekommen, um mit dir zu reden, Melanie«, sagte das Mädchen. Ihre Stimme zitterte leicht, wie ich es bei Nina noch nie gehört hatte.
    »Hier ist niemand, der so heißt«, sagte Dr. Hartman in der Dunkelheit.
    Das Negermädchen lachte. Hatte ich eine Andeutung von Ninas heiserem Lachen in dem Laut gehört? Der Gedanke machte mich frösteln. »Ich weiß, daß du da bist«, sagte sie. »So wie ich gewußt habe, wo ich dich in Philadelphia finden konnte.«
    Wie hatte sie mich gefunden? Ich ließ Culley seine riesigen Pranken hinter dem Mädchen auf den Diwan legen.
    »Wir wissen nicht, wovon Sie sprechen, Miß«, sagte Howard.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. Weshalb benützte Nina eine Negerin? fragte ich mich. »Melanie«, sagte sie, »ich weiß, daß du hier bist. Ich weiß, daß es dir nicht gutgeht. Ich bin gekommen, um dich zu warnen.«
    Mich wovor zu warnen? In Grumblethorpe hatte mich das Flüstern gewarnt, aber sie hatte nicht zu diesem Flüstern gehört. Sie war später gekommen, als es schlecht stand. Moment, sie hatte nicht mich gefunden - ich sie! Vincent hatte sie gefangengenommen und zu mir gebracht.
    Und sie hatte Vincent getötet.
    Wenn das Mädchen wirklich eine Sendbotin von Nina war, konnte es trotzdem das beste sein, sie zu töten. Auf diese Weise würde Nina einsehen, daß man mit mir nicht spaßte, daß ich nicht duldete, wenn man meine Handlanger tötete, ohne Vergeltung zu üben.
    Marvin wartete immer noch draußen in der Dunkelheit mit dem langen Messer, das Miß Sewell auf dem Hackklotz hatte liegen lassen. Draußen wäre es besser. Da mußte ich mir keine Gedanken wegen Flecken auf den Teppichen und dem Hartholzboden machen.
    »Junge Dame«, ließ ich Dr. Hartman sagen, »ich fürchte, niemand von uns weiß, wovon Sie sprechen. Hier ist niemand, der Melanie heißt. Culley wird Sie nach draußen begleiten.«
    »Halt!« rief das Mädchen, als Culley sie am Arm hochzog. Er drehte sie zur Tür. »Augenblick!« sagte sie mit einer Stimme, die nicht die geringste Ähnlichkeit mit Ninas behäbigem Tonfall hatte.
    »Leb wohl«, sagten wir fünf im

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