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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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hinter den Gitterstäben, ging weiter, sah aufmerksam in die Gesichter und versuchte eine Frau für die nächtlichen Aktivitäten zu finden, die jung genug und kräftig genug war und sich trotzdem leicht beherrschen ließ.
     

63. Kapitel
     
    Melanie
     
    Willi war am Leben!
    Ich sah mit Miß Sewells Augen durch die Gitterstäbe des Käfigs und erkannte ihn sofort, obwohl die Glühbirne hinter ihm einen Heiligenschein grellen Lichts um seine verbliebenen weißen, wieselfellartigen Haarbüschel warf.
    Willi am Leben. Zumindest diesbezüglich hatte Nina mich nicht belogen. Ich verstand fast nichts: Nina und ich hatten unsere Opfer zu diesem grausamen Fest gebracht, während Willi - dessen Leben laut Nina in akuter Gefahr war - lachte und sich frei unter seinen angeblichen Freunden bewegte.
    Willi sah fast unverändert aus - vielleicht etwas mehr von seinen Ausschweifungen gezeichnet als vor sechs Monaten. Als sein Gesicht sich im grellen Licht und den schroffen Schatten des Korridors abzeichnete, ließ ich Miß Sewell sich abwenden und in den Schatten ihrer Zelle zurückweichen, bis mir bewußt wurde, wie albern das war. Willi sprach deutsch mit dem Mann, den Ninas Negerin Saul genannt hatte, und hieß ihn in der Hölle willkommen. Der Mann antwortete Willi, der Teufel solle ihn holen, Willi lachte und sagte etwas zu einem jüngeren Mann mit Reptilienaugen, dann kam ein ausgesprochen hübscher Mann dazu. Willi redete ihn mit C. Arnold an, und da wußte ich, das mußte der legendäre Mr. Barent sein, über den Miß Sewell Erkundigungen eingezogen hatte. Selbst in dem unvorteilhaften Licht und der häßlichen Umgebung des Tunnels konnte ich auf den ersten Blick sehen, daß ich es hier mit einem Mann von edler Herkunft und Bildung zu tun hatte. Seine Stimme hatte den gebildeten Cambridge-Akzent meines geliebten Charles, sein dunkler Blazer war maßgeschneidert, und wenn Miß Sewells Recherchen korrekt waren, war er einer der acht reichsten Männer der Welt. Ich vermutete, daß er ein Mann war, der meine eigene Reife und standesgemäße Herkunft schätzen konnte, jemand, der mich verstehen würde. Ich ließ Miß Sewell näher an das Gitter rücken, aufsehen und die Augen mit einem anzüglichen Senken der Wimpern halb schließen. Mr. Barent schien es nicht zu bemerken. Er entfernte sich, noch bevor Willi und sein junger Freund gingen.
    »Was geht da vor?« fragte Ninas Negerin, die sich Natalie nannte.
    Ich ließ Justin sich erbost zu mir umdrehen. »Sieh doch selbst.«
    »Das kann ich momentan nicht«, sagte das farbige Mädchen. »Ich habe schon einmal erklärt, daß der Kontakt auf diese Entfernung unzureichend ist.« Wir saßen im Salon, und die Augen des Mädchens leuchteten im Kerzenlicht. Ich konnte keine Spur von Ninas Kornblumenblau in diesen trüben grauen Pupillen erkennen.
    »Wie kannst du dann nur die Kontrolle behalten, Teuerste?« fragte ich, und Justins leichtes Lispeln machte meine Stimme noch süßer, als ich beabsichtigt hatte.
    »Konditionierung«, antwortete Ninas Handlanger. »Was geht vor?«
    Ich seufzte. »Wir sind immer noch in den kleinen Zellen. Willi war gerade da .«
    »Willi!« rief das Mädchen.
    »Warum so überrascht, Nina? Du selbst hast mir gesagt, Willi hätte den Befehl erhalten, dort zu erscheinen. Hast du gelogen, als du gesagt hast, du hättest Verbindung mit ihm?«
    »Selbstverständlich nicht«, schnappte das Mädchen und erlangte die Fassung auf die rasche, selbstsichere Weise wieder, die mich an Nina erinnerte. »Aber ich habe ihn einige Zeit nicht mehr gesehen. Sieht er gut aus?«
    »Nein«, schnappte ich. Ich zögerte und beschloß, sie auf die Probe zu stellen. »Mr. Barent war da«, sagte ich.
    »Oh?«
    »Er ist sehr ... eindrucksvoll.«
    »Ja, das ist er, nicht?«
    Hörte ich da eine Spur von Schüchternheit? »Ich kann verstehen, wie du dich von ihm hast überreden lassen können, mich zu verraten, Nina, Teuerste«, sagte ich. »Hast du ... mit ihm geschlafen?« Ich verabscheute diesen absurden Ausdruck, aber mir fiel keine bessere Möglichkeit ein, sie mit dieser Frage zu konfrontieren.
    Das farbige Mädchen sah mich nur an, und ich verfluchte Nina stumm zum hundertstenmal weil sie diese ... Dienerin ... >benützte< statt einer Person, die ich als Ebenbürtige behandeln konnte. Selbst die abscheuliche Miß Barrett Kramer wäre als Vermittlerin besser gewesen.
    Wir saßen eine Zeitlang schweigend da, die Negerin hing den Gedanken nach, die Nina in ihren Kopf eingepflanzt

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