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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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von ihnen etwas gesagt hatte seit dem sinnlosen Deuten und Brüllen, das das Kind vor zwanzig Minuten durchgemacht hatte. »Was ist los?« fragte Natalie.
    Justin zuckte die Achseln, aber sein Grinsen war sehr breit. Seine Milchzähne sahen aus, als wären sie spitz zugefeilt worden.
    »Wo ist Saul?« wollte Natalie wissen. Ihre Finger wanderten zu dem Monitorpack an ihrem Gürtel. »Sag es mir!« fauchte sie. Saul hatte das Telemetriepack und die Verbindung mit dem Monitor entworfen, wollte aber nicht zulassen, daß sie es tatsächlich benützte, wenn sie bei Melanie war. Sie hatten sich auf einen Kompromiß geeinigt, eine Warnung zum zweiten Empfänger bei Jackson im Auto, anstatt das C-4 sofort zu zünden. Natalie selbst hatte die Kabel wieder mit dem C-4 verbunden, als Saul zu der Insel aufgebrochen war. In den zurückliegenden siebenundzwanzig Stunden hatte sie manchmal insgeheim gehofft, daß das alte Monster versuchen würde, sie zu übernehmen, und damit die Explosion auslöste. Natalie war erschöpft und ausgehöhlt vor Angst, und manchmal schien es ihr wünschenswert, einfach alles hinter sich zu haben. Sie war nicht sicher, ob das C-4 die alte Frau auf diese Entfernung mit Sicherheit töten würde, aber sie war sicher, daß Melanies Zombies sie nicht näher zu der Kreatur einen Stock höher lassen würden.
    »Wo ist Saul?« wiederholte Natalie.
    »Oh, sie haben ihn«, sagte der Junge beiläufig.
    Natalie stand auf. In den Schatten der angrenzenden Räume kamen Bewegungen auf. »Du lügst«, schnappte sie.
    »Wirklich?« sagte Justin lächelnd. »Warum sollte ich?«
    »Was ist passiert?«
    Justin zuckte die Achseln und unterdrückte ein Gähnen. »Meine Schlafenszeit ist schon überschritten, Nina. Warum setzen wir diese Unterhaltung nicht morgen früh fort?«
    »Sag es mir !« schrie Natalie. Ihr Finger ertastete den Auslöseknopf am Monitor.
    »Oh, schon gut«, schmollte der Junge. »Dein jüdischer Freund ist den Wachen entkommen, aber Willis Mann hat ihn geschnappt und zum Herrenhaus zurückgebracht.«
    »Zum Herrenhaus«, hauchte Natalie.
    »Ja, ja«, schnappte der Junge. Er kickte mit den Absätzen gegen das Stuhlbein. »Willi und Mr. Barent möchten mit ihm reden. Sie spielen ein Spiel.«
    Natalie sah sich um. Etwas bewegte sich in der Diele. »Ist Saul verletzt?«
    Justin zuckte die Achseln.
    »Lebt er noch?« wollte Natalie wissen.
    Der Junge verzog das Gesicht. »Ich habe gesagt, daß sie ihn verhören wollen, Nina. Sie können nicht mit einem Toten reden, oder?«
    Natalie hob die freie Hand und kaute an einem Fingernagel. »Es wird Zeit, nach unserem Plan vorzugehen«, sagte sie.
    »Nein «, heulte der Sechsjährige. »Es ist ganz und gar nicht die Situation, auf die ich laut deinen Anweisungen warten sollte. Sie spielen nur.«
    »Du lügst«, sagte Natalie. »Sie können das Spiel nicht spielen, wenn Willis Mann draußen und Saul im Herrenhaus ist.«
    »Nicht das Spiel«, sagte der Junge, der ob ihrer Dummheit den Kopf schüttelte. Es fiel Natalie schwer zu bedenken, daß er lediglich eine Marionette aus Fleisch und Blut war, die von der uralten Vettel oben manipuliert wurde. »Sie spielen Schach «, sagte der Junge.
    »Schach«, wiederholte Natalie.
    »Ja. Der Sieger darf über das nächste Spiel entscheiden. Willi möchte um höhere Einsätze spielen.« Justin schüttelte den Kopf - die Geste einer alten Frau. »Willi war schon immer von einem wagnerianischen Interesse an Ragnarök und Armageddon geprägt. Ich bin sicher, das liegt an seinem deutschen Blut.«
    »Saul ist verletzt und im Herrenhaus gefangen, wo sie Schach spielen«, sagte Natalie monoton. Sie erinnerte sich an den Nachmittag vor sieben Monaten, als sie und Rob sich Saul Laskis Geschichte von den Lagern und dem alten Schloß im polnischen Wald angehört hatten, wo der junge Standartenführer den >Alten< zum Endspiel herausgefordert hatte.
    »Ja, ja«, sagte Justin glücklich. »Miß Sewell wird auch an dem Spiel teilnehmen. In Mr. Barents Mannschaft. Er ist sehr hübsch.«
    Natalie wich zurück. Natalie und Saul hatten sich darüber unterhalten, was sie tun sollte, wenn der Plan nicht funktionierte. Er hatte empfohlen, daß Natalie die Plastikbeutel mit dem auf vierzig Sekunden eingestellten Zeitzünder werfen sollte, auch wenn das bedeutete, Barent und die anderen entkommen zu lassen. Die zweite Möglichkeit bestand darin, den Bluff weiterzuspielen und Melanie in der Hoffnung zum Handeln zu zwingen, Barent und, wenn möglich,

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