Kraft des Bösen
machte.
»He! Wer ist das?« rief der Mann in der Dunkelheit. Saul, der noch fünf Meter entfernt war, konnte deutlich hören, wie eine Waffe entsichert wurde.
Saul lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum und flüsterte. »Ich bin es. Overholt. Mach Licht.«
Der Mann sagte: yScheiße «, und schaltete die Taschenlampe ein. Saul sah um den Baum herum und erblickte einen Mann in der grauen Uniform der Wachen, dessen Bein blutete. Der Mann hielt eine Uzi-Maschinenpistole und machte sich an der Taschenlampe zu schaffen. Saul tötete ihn mit einem einzigen Schuß in den Kopf.
Bei der Uniform handelte es sich um einen einteiligen grauen Overall mit Reißverschluß vorn. Saul schaltete die Taschenlampe aus, zog dem Leichnam die Uniform aus und streifte sie sich im Dunkeln über. Vom Strand her ertönten ferne Rufe. Der Overall war zu groß, die Schuhe selbst ohne Socken zu klein, aber Saul Laski hatte trotzdem noch nie in seinem Leben Kleidungsstücke so sehr zu schätzen gewußt. Er tastete in zehn Zentimeter tiefem Wasser nach der Schirmmütze, die der Mann
getragen hatte, fand sie und setzte sie auf.
Er hielt die M-16 im Arm, die Uzi in der rechten Hand und hatte drei Ersatzmagazine in den tiefen Taschen seines Overalls, klemmte die Taschenlampe an den Gürtel und watete so zu der Stelle zurück, wo er seine Tasche gelassen hatte. Der Gürtel mit dem C-4, die Ersatzmagazine für das Gewehr und den automatischen Colt waren trocken und vorhanden. Er warf die Uzi dazu, versiegelte die Tasche, warf sie über die Schultern und ging aus dem Sumpf hinaus.
Ein zweites Boot war zwanzig Meter entfernt am Strand gelandet, der vierte Mann war zu den fünf Neuankömmlingen gegangen. Er wirbelte herum, als Saul westlich des Gezeitenablaufs herauskam und den Strand entlangschlenderte.
»Kip, bist du das?« rief der Mann über den Wind und das Rauschen der Brandung hinweg.
Saul schüttelte den Kopf. »Barry«, rief er und hielt dabei die Hand halb über den Mund.
»Was hatte die Schießerei zu bedeuten, verdammt? Habt ihr ihn erwischt?«
»Osten!« rief Saul geheimnisvoll und winkte mit der Hand zum Strandabschnitt hinter den Männern. Drei der Wachen hoben die Waffen und trabten in die angegebene Richtung. Der Mann, der gerufen hatte, hob ein Handfunkgerät und sprach hastig hinein. Zwei der Boote, die jenseits der Brandung patrouillierten, drehten nach Osten ab und ließen die Suchscheinwerfer über die Bäume wandern.
Saul watete zum ersten gelandeten Boot, hob den kleinen Anker aus dem Sand, ließ ihn ins Heck fallen, kletterte hinein und warf die Tasche auf den Passagiersitz. Blut von seinem Rücken hatte den langen Tragegurt getränkt. Zwei riesige Außenbordmotoren waren an dem Boot befestigt, aber es hatte eine elektrische Zündung, für die ein Schlüssel erforderlich war. Der Schlüssel steckte im Zündschloß am Armaturenbrett.
Saul ließ die Motoren an, legte Gischt und Sand aufspritzend vom Strand ab, steuerte in die Wellen und preschte zum offenen Meer. Zweihundert Meter draußen schwang er das Boot nach Osten und beschleunigte auf Höchstgeschwindigkeit. Der Bug ging in die Höhe, und er kam um die Nordostecke der Insel und brauste mit fünfundvierzig Knoten nach Süden. Saul spürte die Bewegungen des Bugs und Kiels auf den Wellen bis in die Knochen. Das Funkgerät krächzte, da schaltete er es ab. Ein Boot Richtung Norden blinkte ihm etwas zu, aber er achtete nicht darauf.
Saul schob die M-16 tiefer, damit die salzige Gischt sie nicht erreichen konnte. Das Wasser spritzte auf seine stoppeligen Wangen und erfrischte ihn wie eine kalte Dusche. Er wußte, er hatte Blut verloren und verlor noch mehr - sein Bein blutete weiter, und er konnte klebrige Flüssigkeit am Rücken spüren -, aber selbst in der Flaute nach dem Adrenalinstoß brannte die Entschlossenheit in ihm wie eine blaue Flamme. Er fühlte sich kräftig und sehr, sehr wütend.
Eine Meile voraus blinkte ein grünes Licht am Ende cfes langen Stegs, der zur Live Oak Lane und dem Herrenhaus und zu Standartenführer Wilhelm von Borchert führte.
68. Kapitel
Charleston: Dienstag, 16. Juni 1981
Es war nach Mitternacht, und Natalie Preston fühlte sich in einem Alptraum gefangen, den sie als Kind erlebt hatte. Ein Ereignis, das sich beim Begräbnis ihrer Mutter zugetragen hatte, war schuld daran, daß sie in jenem längst vergessenen Sommer und Herbst monatelang mindestens einmal pro Woche aufgewacht war und nach ihrem Vater geschrien
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