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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aber in dem Augenblick war er nur ein weiteres Ärgernis.
    In der Zwischenzeit zog sich das absurde Schachspiel zwischen Willi und dessen Gastgeber dahin wie eine surrealistische Szene aus Alice im Wunderland Willi schlurfte wie ein gutgekleideter verrückter Hutmacher hin und her, während ich Miß Sewell gestattete, stehenzubleiben und sich ab und zu hin und her zu bewegen - stets auf Mr. Barents Versprechen vertrauend, daß sie nicht in eine gefährliche Lage gebracht werden würde -, während die anderen bemitleidenswerten Bauern und Spieler hin und her marschierten, andere schlugen, ihrerseits von anderen geschlagen wurden, ihre unwichtigen kleinen Tode starben und vom Spielbrett genommen wurden.
    Bis zu dem Augenblick, als Mr. Barent mich enttäuschte, schenkte ich ihrem kindischen Spiel keine Aufmerksamkeit und nahm kaum daran teil. Nina und ich mußten unser eigenes Kräftemessen zu Ende bringen. Ich wußte, daß ihre Negerin vor Sonnenaufgang zurückkehren würde. So müde ich war, beeilte ich mich doch, bis zu ihrer Rückkehr alles bereit zu haben.
     

71. Kapitel
     
    Dolmann Island: Dienstag, 16. Juni 1981
     
    Harod wollte mit aller Verzweiflung einen Ausweg finden. Schreckliche Situationen waren an sich schon schlimm genug, aber er fühlte sich gottverdammt dumm, wenn er keinen Ausweg hatte.
    Soweit er sagen konnte, war es Willi und Barent durchaus ernst damit, das Schachspiel um hohe Einsätze zu spielen. Wenn Willi gewann - und Harod hatte den alten Dreckskerl selten einmal verlieren gesehen -, wollten er und Barent ihren Wettkampf auf einer höheren Ebene fortsetzen, zu der auch gehörte, Städte zu bombardieren und ganze Länder dem Erdboden gleichzumachen. Wenn Barent siegte, sollte der Status quo erhalten bleiben, aber das beeindruckte Harod nicht besonders, weil er gerade gesehen hatte, wie Barent den Status quo des gesamten Island Club über Bord warf, nur um das Scheißspiel durchzuziehen. Harod stand auf seiner schwarzen Fliese, zwei Quadrate vom Ende des Bretts und drei von der wahnsinnigen Sewell entfernt, und versuchte, einen Ausweg zu finden.
    Er wäre zufrieden gewesen, einfach dazustehen, bis ihm etwas einfiel, aber Willi hatte den ersten Zug und sagte: »B auf T4, bitte.«
    Harod starrte vor sich hin. Die anderen starrten zurück. Es war verdammt unheimlich, daß sich zwanzig oder dreißig Wachen in dem Raum aufhielten, aber keiner auch nur einen Laut von sich gab.
    »Damit sind Sie gemeint, Tony«, sagte Barent leise. Der Milliardär Im schwarzen Anzug stand drei Meter entfernt auf der anderen Seite der Diagonalen von zwei Feldern.
    Harods Herz schlug ihm heftig in der Brust. Er hatte Angst davor, daß Willi oder Barent ihn wieder >benützen< würden. »He!« rief er. »Ich verstehe nichts von dieser Scheiße! Sagen
    Sie mir einfach nur, wohin ich gehen muß, um Gottes willen.«
    Willi verschränkte die Arme. »Das habe ich doch getan«, sagte er verdrossen. »B auf T4 bedeutet, Bauer auf Turm vier. Sie stehen auf Turm drei, Tony. Gehen Sie ein Feld weiter.«
    Harod trat rasch auf die weiße Fliese vor ihm. Jetzt war er diagonal einen Schritt von dem blonden Zombie Tom Reynolds und nur zwei freie Felder von dieser Sewell entfernt. Maria Chen stand stumm auf dem weißen Feld neben Melanie Fullers Surrogat. »Hören Sie, Sie haben drei Bauern«, rief er. »Woher soll ich wissen, daß Sie mich meinen?« Harod mußte um den dunklen Koloß Jensen Luhar herumschauen, damit er Willi sehen konnte.
    »Wie viele Bauern habe ich auf der Reihe des Turms?« fragte Willi rhetorisch. »Und jetzt halten Sie den Mund, bevor ich Sie bewege.«
    Harod drehte sich um, spie in den Schatten und versuchte, das plötzliche Zittern seines rechten Beins zu unterbinden.
    Barent ergriff rasch das Wort und machte damit Harods Klischeebild zunichte, wonach Schachspieler lange über ihre Züge nachdachten. »König auf Dame vier«, sagte er mit einem ironischen Lächeln und ging einen Schritt nach vorne.
    Für Harod war das ein dummer Zug. Jetzt stand der Milliardär vor seinen ganzen anderen Figuren, nur einen Zug vorwärts und einen Schritt seitlich von Jensen Luhar. Harod mußte ein hysterisches Kichern unterdrücken, als ihm einfiel, daß der riesige Neger einen weißen Bauern darstellen sollte. Harod biß sich auf die Innenseite der Wange und wünschte sich, er wäre daheim in seinem Jacuzzi.
    Willi nickte, als hätte er den Zug erwartet - Harod erinnerte sich, er hatte vorhin im Verlauf des Gesprächs schon

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