Kraft des Bösen
hat.«
Er legte auf, blieb ein paar Minuten in seinem ruhigen Vorführraum sitzen und begab sich dann in den Jacuzzi.
Harod saß in dem heißen Wasser, entspannte sich, überlegte, ob er zum Pool gehen und ein paar Bahnen schwimmen sollte, und döste fast ein. Er konnte fast Maria Chens Schritte auf dem Fliesenboden hören, wie sie die tägliche Post brachte. Harod richtete sich auf, zündete eine Zigarette aus dem Päckchen neben seinem hohen Wodkaglas an, lehnte sich gegen den warmen Wasserstrahl zurück und entspannte die schmerzenden Muskeln. Es ist gar nicht so schlimm, wenn man an andere Sachen denkt, dachte er.
Er war fast wieder eingeschlafen, die Zigarette bis zu seinen Fingern abgebrannt, als er die Geräusche von hohen Absätzen im Flur hörte.
Harod riß die Augen auf, nahm die Zigarette in den Mund, zog die Arme an und machte sich bereit, schnell aufzustehen und schnellstens zu fliehen, sollte es erforderlich sein. Sein orangefarbener Bademantel lag sechs Schritte entfernt.
Im ersten Moment erkannte er die attraktive junge Frau im schlichten weißen Kleid nicht, die eintrat und ihm die Post brachte, dann sah er die Nymphenaugen in dem Missionarsgesicht, die schmollende Elvis-Unterlippe und den Modelgang.
»Shayla«, sagte er, »haben Sie mich erschreckt.«
»Ich habe Ihre Post mitgebracht«, sagte Shayla Berrington. »Ich wußte gar nicht, daß Sie auch National Geographie abonniert haben.«
»Herrgott, Mädchen, ich wollte Sie schon anrufen«, sagte Harod hastig. »Um alles zu erklären und mich wegen des schrecklichen Versehens letzten Winter entschuldigen.« Harod, der sich immer noch nicht wohl in seiner Haut fühlte, überlegte sich, ob er sie >benützen< sollte. Nein. Dies war ein neuer Anfang. Er konnte eine Weile auf diese Scheiße verzichten.
»Schon gut«, sagte Shayla. Ihre Stimme hatte immer einen sanften und verträumten Klang gehabt, aber jetzt schien sie noch abwesender zu sein. Harod fragte sich, ob das arme Mormonenkind in den Monaten, seit sie ohne Arbeit war, Drogen entdeckt hatte. »Ich bin nicht mehr wütend«, sagte Shayla geistesabwesend. »Der Herr hat mir geholfen, das alles zu überwinden.«
»He, prima«, sagte Harod und strich sich Zigarettenasche von der Brust. »Und Sie hatten vollkommen recht, daß Slaver nicht das richtige Vehikel für Sie gewesen wäre. Der Film ist richtiger Dreck, Lichtjahre unter Ihrem Niveau, Mädchen, aber ich habe gerade heute morgen mit Schu Williams gesprochen, und der hat ein Projekt für Orion in Aussicht, für das Sie und ich genau die richtigen wären. Schu sagt, Bob Redford und ein Junge namens Tom Cruise haben eingewilligt, ein Remake des alten.«
»Hier ist Ihr National Geographic «, unterbrach Shayla und hielt die Zeitschrift und einen Stapel Briefe in seine Richtung.
Harod steckte die Zigarette in den Mund und griff nach der Post damit sie nicht naß wurde. Die silberne Pistole, die sie plötzlich in der Hand hielt war so winzig, daß es sich nur um ein Spielzeug handeln konnte; sogar die fünf Plops, die sie von sich gab, klangen spielzeugmäßig, wie die Pfropfpistole eines
Kindes, die von Kacheln widerhallt.
»Ah, he«, sagte Tony Harod, sah auf die fünf kleinen Löcher in seiner Brust hinab und versuchte sie wegzuwischen. Er sah zu Shayla Berrington auf, sein Kiefer klappte herunter, die Zigarette wurde von den Wellen des Whirlpool fortgetragen. »O Scheiße«, sagte Tony Harod, lehnte sich vorsichtig zurück, rutschte mit den Fingern ab und schloß die schweren Lider, während sein Gesicht langsam unter die brodelnde Wasseroberfläche glitt.
Shayla Berrington beobachtete zehn Minuten ausdruckslos, wie das weiß schäumende Wasser erst rosa und dann hellrot wurde und sich schließlich wieder klärte, als die Düsen frisches Wasser nachpumpten und die Filter ihre Arbeit taten. Dann drehte sie sich um und ging langsam in tadelloser Haltung hinaus, mit hocherhobenem Kopf, und ihre polierten hochhackigen Schuhe hallten über das Blubbern des Wassers hinweg. Beim Hinausgehen schaltete sie die Deckenbeleuchtung ab. Es blieb recht düster in dem Raum mit den heruntergelassenen Rolläden, aber Sonnenlicht das vom Jacuzzi gespiegelt wurde, warf willkürliche Lichtmuster an die weißen Stuckwände, wie bei einer Kinoleinwand, wenn der Film zu Ende ist, aber die Vorführlampe noch brennt und Zufallsmuster leeren Zelluloids daran vorbeiziehen.
78. Kapitel
Caesarea, Israel: Sonntag, 13. Dezember 1981
Natalie fuhr
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