Kramp, Ralf (Hrsg)
Feuerwehrmann Markus Eisen (23), der in Höhe des Brillenspezialisten Andreas Mayer postiert steht, sieht den Mann heranrennen, will etwas schreien, aber das ist nicht mehr möglich. Er stellt dem jungen Mann instinktiv ein Bein. Marc Aumann gerät sofort aus dem Tritt, hebt ab und schlägt mit voller Wucht auf eine etwa hüfthohe Sandsteinmauer. Er erleidet einen Splitterbruch des rechten Unterarms und ist augenblicklich besinnungslos.
DAUN, Freitag 8. Juli, 22.36 Uhr
.
Das Portal der Kirche
St. Nikolaus
lässt sich ziemlich geräuschlos aufziehen. Der Leiter der Polizei befiehlt einem Beamten einer Streifenwagenbesatzung, den Türflügel möglichst leise aufzuziehen und einen Blick in die Kirche zu werfen. Der Beamte entsichert seine Waffe und macht einen Schritt in die Kirche hinein. Er entdeckt in dem nur matt beleuchteten großen Raum keinen Menschen. Das verwirrt ihn sehr stark. Der Beamte bittet flüsternd um die Möglichkeit, in den Kirchenraum hineinzugehen. Er bekommt die Erlaubnis und geht lautlos bis zum Hauptaltar. Er braucht dazu etwa sechs Minuten, weil er jede Bankreihe genau betrachten muss, um eventuelle Leute zu entdecken, die sich in den Bänken geduckt haben. Er findet niemanden und zieht sich wieder geräuschlos zurück. Er sagt: »Das verstehe ich nicht.«
DAUN, Freitag 8. Juli, gegen 22.30 Uhr
.
Der Kriminalbeamte Gregor Mertin erreicht die Wohnung der geschiedenen Ehefrau des Leo Kaminski in Darscheid. Er bringt sie mit Höchstgeschwindigkeit nach Daun, um notfalls zur Verfügung zu stehen. Die Frau ist sehr verwirrt und hat große Angst.
DAUN, Freitag 8. Juli,
Der Zeitraum zwischen 22.30 und 22.40 Uhr
wird genutzt, um den wahrscheinlichen Ort des Geschehens, die
Nikolauskirche
, vollkommen zu isolieren. Das bedeutet, dass der gesamte Innenraum der Stadt etwa von Höhe der Post bis hin zum Eingangsbereich des Krankenhauses
Maria Hilf
abgesperrt wird, sämtlicher Verkehr wird umgeleitet. Das erledigen zu weiten Teilen Feuerwehrkräfte.
DAUN, Freitag, 8. Juli, 22.42 Uhr
.
Zu diesem Zeitpunkt befinden sich zwei Einsatzfahrzeuge des SEK bereits auf der Autobahn in Richtung Daun. Es sind ein schwarzer BMW 7, sowie ein abgedunkelter VW-Bus, die mit etwa 200 km/h unter Blaulicht fahren. Es sind jetzt acht Beamte in voller Ausrüstung auf dem Weg, sechs weitere werden in einem zweiten VW-Bus etwa in einem Zwei-Minuten-Abstand folgen. Es sind Männer, die Einsätze dieser Art seit Jahren Tag für Tag proben.
DAUN, Freitag 8. Juli, 22.45 Uhr
.
Stephan Sartoris, der zuständige Redakteur des
Trierischen Volksfreunds
, ist inzwischen von seiner Zentrale in Trier benachrichtigt worden und hat die Geschäftsstelle erreicht. Er findet niemanden vor, bemerkt aber Dutzende von Männern in Zivil, die auf der Straße stehen, Einmündungen von Gassen und Straßen überwachen und sich merkwürdigerweise nur sehr leise unterhalten.
Ein Kriminalbeamter informiert ihn knapp: »Wir haben eine Geiselnahme im Bereich der
Nikolauskirche
. Der Kirchenraum ist aber leer, was wir nicht verstehen. Die Außentür der Sakristei ist abgeschlossen, in den benachbarten Gebäuden befindet sich kein Mensch mehr, alles evakuiert. Haben Sie Informationen?«
Sartoris überlegt nicht lange und nickt. Später wird sich herausstellen, dass er als Messdiener oft in der
Nikolauskirche
war. Er sagt: »Es gibt da unter dem Altarraum eine Krypta.«
»Sie sollten schleunigst den Einsatzleiter informieren. Der steht vor der Kirche.«
Sartoris geht die wenigen Schritte und informiert den Einsatzleiter. Der fragt sofort: » Gibt es eine Möglichkeit, in die Krypta hineinzukommen, ohne die Treppe rechts neben dem Hauptaltar zu benutzen?«
Sartoris antwortet knapp: »Die gibt es, aber ich weiß nicht, ob euch das etwas bringt. Wir haben das als Jungens mal gemacht und sind dafür vom Pfarrer geprügelt worden. Links neben dem Altarblock gibt es eine große Sandsteinplatte, die man herausnehmen kann. Darunter ist ein Loch, das sich unmittelbar über dem Gewölbe der Krypta befindet. Die Trennung ist ganz dünn, irgendwie aus Pappe oder so.«
»Kann ein Mensch durch dieses Loch in die Krypta gelangen?«, fragt der Leiter der Polizei den Redakteur.
»Das geht«, antwortet der. »Aber nur dann, wenn ihr einen Zwerg habt.«
»Sollten wir haben«, murmelt der Leiter der Polizei.
Zu diesem Zeitpunkt stehen unmittelbar neben der Kirche bereits ein Einsatzwagen des Deutschen Roten Kreuzes mit zwei Notärzten, sowie ein Streifenwagen der
Weitere Kostenlose Bücher