Kramp, Ralf (Hrsg)
aufgesprengt.
Drei SEK-Beamte stürmen in diesen Sekunden über die zersplitterte Tür hinweg den Raum. Sie sind schussbereit, schießen aber nicht.
Einer der Beamten sagt gelassen: »Wir haben einen Suizid, wir haben einen Suizid.«
Leo Kaminski hat sich das schreckliche Messer in den Hals gestoßen.
DAUN, Samstag, 9. Juli, 0.13 Uhr
.
Der Redakteur des
Trierischen Volksfreunds
, Stephan Sartoris, sitzt an seinem Schreibtisch und schreibt direkt in den Onlinedienst seiner Zeitung unter dem Titel
Geiselnahme in Daun
seinen Bericht. Zwei seiner Kollegen fotografieren noch, was es zu fotografieren gibt.
Um 2.35 Uhr an diesem Samstag wird die gedruckte Ausgabe der Zeitung über die Autobahn von Trier nach Daun transportiert.
Um diese Zeit sitzt die Geisel Cynthia Fries immer noch geduldig neben dem leeren Bett ihres Gefährten im Krankenhaus
Maria Hilf
und wartet auf das Ende der Operation an dem Splitterbruch. Die OP dauert insgesamt sechs Stunden.
Tot überm Gartenzaun
VON S TEPHAN E VERLING
So, das ist also Gönnersheim.« Bogdan stand auf der Straße und sah sich um. Er hatte die Fäuste in die Seiten seiner Bomberjacke gestemmt und schüttelte langsam den Kopf mit den kurzen, schwarzen Haaren. Niemand war auf der Straße, die Häuser wirkten leer und verlassen. Hätte nicht hier und da ein Licht die Anwesenheit eines lebenden Menschen angedeutet, er wäre sicher gewesen, sie beide wären allein im Ort.
»Dorf«, korrigierte Ritchie und sah sich stolz um, als würde er es zu den edelsten seiner Ländereien zählen. »Es heißt Gönners
dorf
. Schön, nicht?«
Bogdan schnaufte verächtlich. »Arsch lecken! Voll die tote Hose! Ich weiß nicht, wer hier wohnt, aber ich möchte hier nicht mal tot überm Gartenzaun hängen.« Er sah noch einmal zur Seite und grunzte: »Eifel!«
Ritchie kicherte. »Das musst du auch nicht! Aber es ist genau, was wir wollen! Ruhe! Abgeschiedenheit! Niemand, der kommt und blöde Fragen stellt. Die lassen uns hier voll in Ruhe!«
Bogdan besah ihn kritisch. »Na, wenn du meinst. Du kommst aus der Eifel und nicht ich.«
»Genau, vertrau mir einfach!« Ritchie winkte ihn zurück ins Auto und fuhr weiter, bis er zu dem Schild
Eifel-Ferienhäuser
kam. »Bleib hier, ich hole den Schlüssel.« Er sprang aus dem Auto und verschwand um die Ecke. Wieder stieg Bogdan aus. Der Mond hatte sich hinter zart silbernen Wolken versteckt und ließ die Szenerie abseits der Straßenbeleuchtung in malerischer Dunkelheit verschwinden.
Kleine Einfamilienhäuser umrahmten die menschenleere Straße. Dort, wo das Licht der Laternen nicht mehr hinreichte, war wahrscheinlich jede Menge Gegend. Is ja schließlich die Eifel, überlegte er. Die Luft war jetzt im April klar und frisch. Sie trug noch die Kälte des Winters in sich, aber auch ein Versprechen auf die kommende, warme Zeit. Prima zum Ferien machen. Wenn man darauf stand. Aber sie waren ja hier zum … ja, wie sollte man das nennen? Vielleicht arbeiten?
Bogdan blickte zum Auto. Ihr Passagier schien immer noch entspannt die Fahrt zu genießen. Jedenfalls war von ihm nichts zu bemerken. Hinter sich hörte er Schritte und fuhr herum.
»Alles in Ordnung«, raunte Ritchie zufrieden und präsentierte einen Schlüssel. »Das Haus ist da drüben. Hast du dich umgesehen? Gefällt es dir?«
»Keine Ahnung. Kann nichts sehen, ist ja alles voll dunkel!«
Sie fuhren mit dem Auto vor ein kleines Ferienhaus, stiegen aus und gingen hinein. Mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er das alles persönlich erfunden, ging Ritchie umher, stieß alle Türen auf und rief: »Na, das ist doch toll! Hier kann man es aushalten! Guck mal, ein Whirlpool!«
»Halt’s Maul, wir sind nicht zum Vergnügen hier!«, grunzte Bogdan. »Pack lieber mit an!«
Leise gingen sie aus dem Haus und sahen sich um. Die Luft war rein, keine Regung zu bemerken. Vorsichtig öffneten sie den Kofferraum des Wagens und griffen mit vereinten Kräften die große Rolle, um sie in eins der Schlafzimmer zu schleppen. Dort untersuchte Ritchie behutsam den Inhalt.
»Sie schläft noch«, sagte er und schlug das Laken zurück. Er fühlte den Puls der bewusstlosen, blonden Frau und nickte zufrieden. »Alles in Ordnung. Genau wie geplant. Morgen früh wird sie wieder zu sich kommen, dann gebe ich ihr noch eine Spritze.«
Bogdan warf Handschellen auf das Bett. »Los, mach sie fest. Nicht, dass sie uns stiften geht. Ich werde jetzt mal ihren Mann anrufen.« Er zog sein Handy aus der Tasche und ging in den
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