Krampus: Roman (German Edition)
dessen Blick war fest auf den Mann gerichtet.
»Aber gerne doch«, sagte Horton. »Ich wette, das wird den anderen Gästen gefallen.«
»Keine Sorge … wir zahlen im Voraus«, sagte der Mann und steckte die Hand in den Sack.
Horton spürte, wie sein Herz einen Satz machte. Jetzt holt er seine Knarre raus. Mit einem Ruck riss Horton die Schrotflinte unter der Theke hervor und richtete sie auf den Mann. Dan zog seine 38er.
»He!«, rief der Hagere. »Eine Sekunde. Es ist nicht, wie ihr denkt.«
»Wie wär’s, wenn du die Hand schön langsam wieder rausziehst?«, sagte Dan. »Dann überlegen wir uns, was wir denken.«
Der Fremde nickte, und dann tat er etwas Seltsames. Er schloss die Augen und schien sich angestrengt zu konzentrieren.
Horton fragte sich, ob der Kerl vielleicht auf Drogen war. Er warf einen schnellen Blick zum Rest der Bande. Wenn sie losschlagen würden, dann jetzt. Aber sie rührten sich nicht von der Stelle, achteten nicht einmal auf ihn. Sie standen einfach nur da und hörten der Band zu, als wäre nichts weiter.
»In Ordnung«, sagte der Mann. »Ich ziehe jetzt schön langsam die Hand raus. Ich würde mich freuen, wenn ihr beiden mich dabei nicht abknallt.«
»Das hängt ganz davon ab, was du in der Hand hältst«, sagte Dan. »Stimmt’s?«
Anstelle einer Waffe hielt der Kerl eine halbe Minute später mehrere angelaufene dreieckige Metallstücke in den Fingern. Er legte sie auf den Tresen. »Die sind aus Gold. Das dürfte genügen.«
»Soll das ein Witz sein, oder was?«, fragte Horton.
Der Mann schüttelte den Kopf. Er sah nicht aus, als machte er Witze.
»Er will mit Spielgeld bezahlen«, sagte Dan lachend.
Horton wollte schon mitlachen, als ihm ein goldenes Funkeln ins Auge stach. Er trat näher an die Theke und inspizierte die Münzen genauer. Früher hatte er zusammen mit seinem Großvater in den Hügeln Gold gewaschen. Er wusste, wie es sich anfühlte und wie es schmeckte. Also nahm er eine Münze in die Hand, wog sie und biss darauf. Ihm blieb die Spucke weg.
»Mensch, Dan, das Zeug ist echt.« Er zählte ganze sieben Münzen vor sich auf der Theke, mehr als genug, um seine kompletten Bier- und Schnapsvorräte aufzukaufen.
»Wenn ich die Hand noch einmal in den Sack stecken darf, kann ich noch was drauflegen.«
»Wie bitte?«, fragte Horton, der noch immer wie hypnotisiert von all dem Gold auf seiner Theke war. »Klar doch, nur zu. So viel du willst.«
Der Hagere zog fünf weitere Münzen hervor. »Das dürfte jetzt aber reichen. Meinst du nicht auch?«
Horton antwortete nicht. Ihm fehlten die Worte.
»Wie sieht’s aus? Sind wir uns einig?«
Der Wirt nickte. »Ja, allerdings. Und wie.« Er hängte die Flinte zurück in ihre Halterung, schob die Münzen hastig in sein Wischtuch und wickelte sie ein. Sie waren erstaunlich schwer. Zum Teufel noch mal, dachte er. Damit ist die Miete für knapp ein Jahr gesichert. Vielleicht springen sogar noch ein oder zwei Urlaubsreisen raus. Er versteckte die Münzen unter dem Eisschrank, wo kein Dieb sie sich krallen konnte.
Nelly, die schon den ganzen Abend an ihrem Bier nuckelte, bedachte Horton mit einem versonnenen Lächeln. »Dann nehme ich mal einen Whiskey, Bob, ohne Eis. Und zwar den guten, klar?«
»Ja, für mich auch«, sagte Lucy. »Einen doppelten.« Sie musterte den Hageren von oben bis unten. »Wer zum Geier seid ihr?«
Der Mann lächelte. »Das wirst du schon noch merken. Behalt einfach den großen, hässlichen Kerl da drüben im Auge.«
***
Jesse nickte Krampus zu und hob den Daumen. Der Herr der Julzeit erwiderte sein Nicken und ging quer über die Tanzfläche zur Bühne. Die beiden tanzenden Frauen hielten inne und starrten ihn an. Jesse zog sich einen Stuhl heran. Er hatte keine Ahnung, was Krampus vorhatte, und er war sich nicht sicher, ob er es herausfinden wollte.
Chet, Vernon und Isabel gesellten sich zu ihm und setzten sich ebenfalls. Die beiden Shawnees blieben im Schatten stehen und behielten ihren Herrn im Auge. Sie waren fehl am Platz in der Bar und schienen sich unbehaglich zu fühlen.
Vor dem Kaninchendrahtgitter blieb Krampus stehen, drehte sich um und ließ den Blick über die Menge schweifen. Jetzt, da er im Scheinwerferlicht stand, fiel den Leuten langsam auf, dass ein über zwei Meter großer Teufel unter ihnen war. Aber sie reagierten anders, als Jesse es insbesondere nach den Ereignissen in der Kirche erwartet hätte. Niemand fing hysterisch an zu schreien, stattdessen musterten alle ihn
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