Krank für zwei
hörte sich gut an.
»Könnte aber auch eine Teesorte sein«, hatte Max noch geunkt. Immerhin. Seitdem er eine dritte Tablette geschluckt hatte, ging es ihm deutlich besser.
In der Brüderstraße 17 machte erst nach dem zweiten Schellen jemand auf. Eine junge Frau in Jeans und T-Shirt. Wenn das Adele Rotbusch war, war es eine Niete.
»Wir suchen Adele Rotbusch«, begann Max das Gespräch. »Es geht um ihre Tochter.« Die junge Frau musterte ihn und Alexa wenig unauffällig, wobei besonders Alexas Bauch ein wahrer Blickfang zu sein schien.
»Sie sind doch nicht von der Polizei?« Die Frage beinhaltete, ob dort Frauen bis zum letzten Tag vor der Entbindung zum Dienst erscheinen mußten.
Es war wie einstudiert. Alexa sagte »Ja«, Max sagte »Nein«. Die Frau schaute irritiert.
Dann ergriff Alexa die Situation. »Wir sind nicht dienstlich hier. Wir sind eher privat in den Fall verwickelt.«
»Ich glaube nicht, daß Frau Rotbusch –«
»Bitte!« Alexas Stimme klang flehentlich. »Wir sind weit gefahren, um Frau Rotbusch zu sehen.« Max hustete in sich hinein.
Die Frau an der Tür seufzte. »Vielleicht sagen Sie mir einfach Ihren Namen.«
»Schnittler – äh Jakobs«, sagte Alexa. Man konnte gar nicht unseriöser erscheinen.
Um so mehr überraschte es sie, als die junge Frau sie kurze Zeit später hineinwinkte. »Sie will Sie tatsächlich sehen«, meinte sie, »zumindest, wenn ich sie richtig verstanden habe.« Nach ein paar Schritten drehte sich die Frau noch einmal um. »Wie Sie sicher wissen, geht es Frau Rotbusch nicht gut. Und seitdem ihre Tochter und ihr Schwiegersohn ums Leben gekommen sind, hat sich ihr Zustand deutlich verschlechtert. Heute allerdings erscheint sie mir ganz rege. Sie sitzt auf der Terrasse. Am besten gehe ich voran.«
Adele Rotbusch sieht aus wie ein Adler, dachte Max als erstes. Diese spitze Nase, die stechenden Augen. Ein Adler.
Alexa dachte ganz etwas anderes. Diese Frau leidet, dachte sie. Man sieht es ihr nicht auf den ersten Blick an. Denn sie ist es nicht gewohnt, ihre Gefühle zu zeigen. Dennoch: Sie trauert. Sie trauert um ihre Tochter.
»Guten Tag, Frau Rotbusch«, Alexa beugte sich vor und gab der Dame im Rollstuhl die Hand. Sie fühlte sich hart und unbeweglich an. »Mein Name ist Alexa Jakobs. Ich bin sehr froh, daß Sie mit uns sprechen möchten. Das ist mein Kollege Max Schneidt.«
Max mußte grinsen. Daß Alexa ihn als Kollegen bezeichnete, hatte etwas.
»Ich kann mir vorstellen, wie sehr Sie unter dem Verlust Ihrer Tochter leiden.«
Adele Rotbusch sagte etwas. Es klang wie »Stein … Stein … schreib«. Alexa blickte hilflos zu der jungen Frau hinüber.
»Frau Rotbusch leidet seit ihrem Schlaganfall unter einer Globalaphasie«, erklärte sie und schüttete eine goldfarbene Flüssigkeit aus einer Saftkaraffe in ein Glas. »Ihr fehlen Wortschatz und Grammatik. Außerdem hat die halbseitige Lähmung das Sprechen selbst fast unmöglich gemacht. Trotzdem kann sie sich manchmal verständlich machen. Nicht wahr, Frau Rotbusch, wir verstehen uns.«
»Jajajaja«, brabbelte Frau Rotbusch, »Fau … Tocht … Stein.«
»Ihre Tochter ist gestorben. Eva ist tot. Sie haben recht. Wir werden bald zusammen zur Beerdigung gehen, nicht wahr?« Die junge Frau führte das Glas mit Apfelsaft der alten Dame an den Mund. Sie nahm ein Schlückchen, ein paar Tropfen rannen ihr aus dem Mund, die die junge Frau abwischte.
»Setzen Sie sich doch«, sagte sie jetzt. Irgendwie wurde sie ein bißchen lockerer. »Mein Name ist übrigens Christiane Scholand. Ich komme jeden Tag zwei Stunden her und kümmere mich um Frau Rotbusch. Ohne Pflegedienst und Hilfe von außen wäre es nicht möglich, daß Frau Rotbusch noch hier in ihrem Haus wohnt.«
»Fau … Tocht … Stein«, sagte Frau Rotbusch. Alexa hatte den Eindruck, daß sie ein bißchen ärgerlich war. Vielleicht hatte sie das Gefühl, es werde zu viel über sie gesprochen und zu wenig mit ihr. Andererseits schien ihr Vokabular ja sehr eingeschränkt zu sein.
»Frau Rotbusch, Ihre Tochter ist verstorben und Ihr Schwiegersohn auch. Mein Kollege und ich, wir sind der Meinung, daß ihr Tod vielleicht mit einer älteren Geschichte zusammenhängt.«
Frau Rotbusch gab ein paar Laute von sich, die überhaupt nicht zu identifizieren waren. Max wandte sich leise an Frau Scholand. »Wie ist denn ihr Sprachverständnis? Meinen Sie, sie bekommt irgendwas mit?«
»Das ist ganz unterschiedlich, nicht wahr, Frau Rotbusch? Manchmal verstehen Sie
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