Krank (German Edition)
Namen, aber immerhin. Ich habe sie überprüft, ein paar gestrichen, weil sie von den Daten und dem Alter nicht passen, und siehe da …«
Mit ausladender Geste und selbstzufriedener Miene, als hätte sie gerade einen Sieg errungen, hielt sie mir ein Blatt vor die Nase.
»Ich bin auf sieben Namen gestoßen, die in unser Zeitfenster passen …«, sagte sie. »Jessie Collier, Elijah Elks, Bemis Smith, Jimmie Hawkes, Creed Baines, Teeter Gasper und Donald Nunn. Sie alle haben im Alter von elf bis dreizehn die Solid Word Homing School und das dazugehörige Freizeitlager unter der Leitung von Ezekiel Tanner, Pastor der Solid Word Church in Campton, Kentucky, besucht.«
Mir stockte der Atem.
»Mein Gott, Cherry, du hast tatsächlich einen Treffer gelandet.«
»Das werden wir noch sehen. Ich lese dir mal vor, was unter dem Stichwort Zielsetzung steht. Mit Hilfe eines rigiden und umfassenden Betreuungs- und Disziplinierungsangebotes ist das erklärte Ziel der Solid Word School, die Schüler körperlich, geistig und seelisch zu stählen. Da ich weiß, wie Tanner und Powers sonst daherredeten, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass sie diesen Satz irgendwo abgeschrieben haben.«
»Wir müssen diese Leute finden«, beschwor ich Cherry. »Sie sind der Schlüssel.«
»Ich bin dir schon einen Schritt voraus: Jessie Collier und Donald Nunn sind tot. Collier ist vor dreizehn Jahren an einer Überdosis gestorben. Er war damals zwanzig. Nunn wurde vor acht Jahren in Ashland erschossen. Könnte durchaus möglich sein, dass er der Donald ist, von dem der alte Coggins gesprochen hat. Ich gleiche noch die Namen und das entsprechende Alter mit den Verbrechensstatistiken ab. Hawkes sitzt in einem Bundesgefängnis. Ob Smith und Nunn Dreck am Stecken hatten, wird sich zeigen.«
»Dann sitzt also unsere einzige Quelle hinter Gittern?«, fragte ich.
»Ja, im Hochsicherheitstrakt von LaGrange.«
»Wo ist das?«
Sie legte einen Gang ein und fuhr los. »Schnall’ dich an. In ein paar Stunden sind wir dort. Ich habe schon alles in die Wege geleitet.«
*
Auf der Fahrt zum Gefängnis warf ich alle paar Meilen einen Blick in den Seitenspiegel, um mich zu vergewissern, dass sich das FBI nicht an unsere Fersen geheftet hatte. Wie es aussah, ließen sie uns in Ruhe.
Cherry kannte den Gefängnisdirektor und hatte darum gebeten, mit dem heute 29-jährigen Jimmie Hawkes sprechen zu dürfen, der früher einmal die Solid Word Home School für benachteiligte Kinder besucht hatte. Ich konnte nur hoffen, dass Mr. Hawkes uns einiges zu berichten hatte.
Wir blieben vor dem Wachhäuschen stehen, hinter dem der Besucherraum lag. Ein schwergewichtiger Wachmann mit buschigen Augenbrauen saß hinter einem Schreibtisch und blätterte abwesend einen Bass-Pro-Shop-Katalog durch.
»Wir haben einen Termin mit Jimmie Hawkes«, erklärte Cherry.
Die Augenbrauen des Wachmannes wanderten nach oben, als er von seinem Katalog aufschaute. »Sie haben nicht vor kurzem gegessen, oder?«
»Wie bitte? Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen«, meinte Cherry.
Der Wachmann ging zu einem in die Wand eingelassenen Schalterpanel und drückte auf einen Knopf. Die Stahltür hinter seinem Rücken glitt auf. »Hawkes sitzt hier ein, weil er versucht hat, einen koreanischen Lebensmittelhändler in Paducah auszurauben. Zu dumm, dass der Ladenbesitzer ein Gewehr unter der Ladentheke hatte. Er schnappte sich das Ding und feuerte blind drauflos. Die Ärzte brauchten acht Jahre, um Hawkes wieder einigermaßen zusammenzuflicken. Sie werden das Ergebnis ja gleich sehen.«
»Ich kann es gar nicht erwarten«, murmelte Cherry.
Wir setzten uns an den Tisch. Die Tür ging auf, und Hawkes trat ein. Er drehte uns die rechte Gesichtshälfte zu, so dass wir zuerst nur sein Profil sahen. Der Häftling zitterte am ganzen Körper, und es wirkte, als würde sich jeder Körperteil in einem anderen Rhythmus bewegen.
Als er sich zu uns umdrehte, hörte ich, wie Cherry die Luft anhielt. Hawkes hätte leicht ohne Einsatz des Maskenbildners in einem Batman-Film die Figur namens Twoface spielen können. Die Kugeln hatten seine linke Gesichtshälfte unterhalb des Wangenknochens vollkommen zerstört. Knochen, Fleisch, Ohr, Haare und ein Drittel des Kieferknochens fehlten.
Bis zur Nase sah Hawkes’ Gesicht vollkommen normal aus, während die andere Hälfte aus vernarbtem, grauen Gewebe bestand, das die Ärzte notdürftig zusammengeflickt hatten. Dort, wo früher sein Auge gewesen war, gab
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