Krank (German Edition)
Aktiendepots mit Passwörtern, die unmöglich zu entschlüsseln waren. Unter gar keinen Umständen würde mein Bruder wie Normalsterbliche Geburtstage oder Namen verwenden, auf die ich kommen konnte. Wahrscheinlich hatte er jedem Depot ein völlig absurdes Passwort verpasst, das nur für ihn einen Sinn ergab.
Mein Blick fiel auf eine ungeschützte Datei namens TXREC , die ich öffnete und in der Jeremy seine Gewinne, Verluste und vierteljährlichen Steuererklärungen abspeicherte. Ein paar Sekunden lang starrte ich ungläubig die ausgewiesenen Profite an. Mein Bruder hatte tatsächlich ein Händchen für den Aktienmarkt.
Neugierig überflog ich alle anderen unverschlüsselten Dateien, bis mich ein Geräusch aufschrecken ließ, und ich zum Fenster lief.
Jeremy!
Er brauste in seinem Wagen die Straße herunter und musste dort, wo seine Zufahrt abzweigte, in einen niedrigeren Gang schalten. Hektisch schloss ich die Dateien, schob den Stuhl unter den Schreibtisch. Als er vor dem Gartentor bremste, knirschte der Kies unter seinen Reifen. Hastig kletterte ich die Leiter hinunter und hörte das Rasseln des Kettenschlosses, das er vom Einfahrtstor entfernte.
Kaum hatte ich festen Boden unter den Füßen, vernahm ich, wie er durch das Tor hindurchfuhr, abermals anhielt und die Kette wieder anbrachte. Mein Versuch, die Leiter zusammenzuschieben, verursachte einen Höllenlärm, denn ich hatte den Sicherungsmechanismus vergessen. Ich zuckte zusammen, legte die Leiter auf den Boden, löste mit einer Hand die Sicherung und schob sie mit der anderen zusammen.
Auf der anderen Seite des Hauses trat Jeremy auf die Veranda. Während ich die Leiter ächzend und stöhnend zum Schuppen schleppte, schloss er die Haustür auf. Ich rannte in den Schuppen und stellte die Leiter schweißgebadet dorthin zurück, wo ich sie gefunden hatte.
Die Hintertür ging auf. Ich presste mich an die Schuppenwand und spähte durch einem schmalen Spalt zwischen den Holzlatten. Mein Bruder kam heraus, warf einen Blick auf das am Verandapfosten hängende Thermometer, nickte zufrieden und verschwand in seiner Hütte. Ich schlich aus dem Schuppen, lief in die andere Richtung und verschwand in den Wäldern.
Mein Ausflug hatte sich gelohnt, denn die Dateien meines Bruders bewiesen: Erst nach seiner Ankunft hatte er begonnen, mit Aktien zu handeln.
Diese Erkenntnis stimmte mich nachdenklich. Woher stammte dann das Geld, mit dem Jeremy diese Blockhütte samt Grundstück gekauft hatte?
Kapitel 45
Am nächsten Morgen um halb acht stand McCoy bei mir auf der Matte. Der normalerweise durch nichts aus der Fassung zu bringende Herrscher über die Wälder war kreidebleich und wirkte verstört.
»Was ist denn?«, fragte ich und hoppelte auf einem Bein auf die Veranda, während ich versuchte, den zweiten Schuh anzuziehen.
Er öffnete ein kleines Netbook und tippte etwas ein. »Vor einer halben Stunde habe ich die Geocaching-Website angeklickt.«
Er drehte das Netbook so, dass ich den Monitor sehen konnte. Ich beugte mich vor und studierte die Koordinaten, über denen das gefürchtete Symbol prangte.
= (8) =
Mir rutschte das Herz in die Hose. Da Crayline tot war, gab es für diesen neuen Eintrag keine Erklärung.
»Wo ist das?«, fragte ich.
»Drüben beim Star Gap. Donna ist schon auf dem Weg dorthin. Sie wollte, dass ich Ihnen das hier zeige und wir sie nachher dort treffen.«
»Das kann doch nur ein Scherz sein«, meinte ich, stolperte gegen McCoys Wagen und fragte mich, wann dieser Alptraum endlich aufhörte.
Wir stiegen ein. McCoy fuhr aus der Schlucht. Eine Viertelstunde später stießen wir zu Cherry, die mit angespannter Miene auf uns wartete und nervös hin und her lief. Wir folgten McCoy, der sein Navigationsgerät konsultierte, gingen zuerst nach links, dann nach rechts. Er marschierte um einen riesigen Felsen und führte uns zu einer morastigen, mit grauem Schiefer gespickten Waldlichtung, die für die Gegend sehr ungewöhnlich war.
Als McCoy hörbar die Luft anhielt, stürmte Cherry an ihm vorbei und bewegte stumm die Lippen. Caudill tauchte ebenfalls auf, hielt mitten im Schritt inne, wandte sich ab und begann zu hyperventilieren.
Schließlich trat ich auf die Lichtung, entdeckte Beales nackten Körper auf dem Boden und brauchte einen Moment, um den sich mir bietenden Anblick zu verdauen. Was man dem Sheriff mit einem scharfen Messer und chirurgischer Präzisionsarbeit angetan hatte, war unbeschreiblich.
»Ist das wirklich Beale?«, fragte
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