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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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es nicht einmal mehr eine Höhle. So wie es aussah, hatte man mit Hilfe eines chirurgischen Eingriffs ein Implantat unter dem Narbengewebe eingesetzt. Seine Epidermis erinnerte an Echsenhaut. Die rechte Seite seines Mundes war normal, die linke nur eine klaffende Öffnung, die er nicht schließen konnte.
    »Jesus«, entfuhr es Cherry. Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie.
    »Der Aufseher meinte, Sie wollten mit mir reden«, lispelte Hawkes heiser. »Welche Seite ist Ihnen lieber?«

Kapitel 47
    »Zuhause? Was, verflucht noch mal, verstehen Sie unter Zuhause, Lady?«, antwortete Hawkes auf Cherrys Frage, wo er als Kind gelebt hatte. »Ich hatte kein Zuhause, sondern wurde dauernd hin und her geschoben von einem Verwandten zum nächsten. Dabei habe ich gelernt, mich abzuschotten, unsichtbar zu machen. Ich war immer draußen, Sommer wie Winter, bin nur kurz zum Essen rein. Eines Tages tauchten ein Pfaffe und eine sexy Lady auf, redeten von einem christlichen Freizeitlager, wo sie MICH unterrichten wollten. KOSTENLOS .« Er drehte sich auf seinem Stuhl um und winkte. » TSCHÜS, MAMA, DU ALTE FOTZE !«
    Hawkes’ Körper zitterte und bebte, und er konnte keine Sekunde stillsitzen. Ich überlegte, ob die Kugeln Nervenzellen in seinem Gehirn beschädigt hatten, die nun falsche Signale sendeten und die Zuckungen auslösten.
    »Was haben Sie von der Idee gehalten, mit Reverend Tanner und Miss Powers wegzugehen, Jimmie?«, fragte Cherry.
    »War mir schnurzegal. Ich bin eh davon ausgegangen, dass sie mich bald wieder wegschicken würden. Das war ich ja gewöhnt.«
    »Sie haben also die Solid Word School besucht?«
    »Worte und Scheiße, Scheiße und Worte«, sagte Hawkes mit angewiderter Miene. »Hundehaufen. Überall waren Hunde, die andauernd knurrten und bellten. Überall hat es nach Hundescheiße gestunken. Da hat nie irgendwer saubergemacht. Wieso auch? Man musste nur warten, bis der Regen die Scheiße wegspülte.«
    »Erzählen Sie uns von der Schule.«
    »Fing ganz nett an. GUTES ESSEN ! Wir wohnten in so kleinen Hütten. KEIN REGEN, KEINE SCHMERZEN .«
    »Wurden Sie unterrichtet?«, wollte Cherry wissen.
    »Wir lernten das hier …« Hawkes sprang auf und begann, gegen einen unsichtbaren Gegner zu boxen und ihn zu treten. Seine Schläge waren hart und kontrolliert. Der Mann wusste, was er tat.
    »Setzen Sie sich, Jimmie«, warnte der Aufseher Hawkes, der die Anweisung mit einem höhnischen Grinsen quittierte und tat, was man von ihm verlangte.
    »Haben Sie gekämpft?«, fragte ich.
    » HEFTE EINE NUMMER AN IHREN PIMMEL !«, schrie er uns ins Gesicht. Sein Atem roch faulig. » REISS IHNEN DEN ARSCH AUF UND GIB IHNEN WAS ZU FRESSEN !«
    »Sie haben also gekämpft und dafür Essen bekommen?«
    Mit dem Handrücken wischte Hawkes die Spucke weg, die ihm aus dem Mund lief. »Futter ohne Maden. Richtiges FUTTER! FRESSEN UND NOCH MEHR FRESSEN. DROGEN UND WHISKY, BIS MAN TOTAL AUFGEKRATZT IST! DER GEWINNER DARF MAL RICHTIG FRESSEN !«
    »Und was passierte, wenn Sie verloren?«
    Hawkes hörte so plötzlich auf, sich zu bewegen, wie ein aufziehbares Spielzeug, dessen Feder am Ende angelangt ist. Er zog den Mundwinkel herunter, sein Auge drehte sich nach innen, und er rührte sich nicht mehr.
    »Dann kam der Trainer und vergnügte sich«, meinte Hawkes und drehte den Kopf weg.
    »Der Trainer?«
    Hawkes warf den Kopf in den Nacken und schrie: » HIER KOMMT DER IMBISSWAGEN !«
    Ich sah zu Cherry hinüber, deren Gesicht inzwischen aschfahl war. »Hat das der Trainer gesagt, Jimmie?«, fragte ich.
    Hawkes sprang auf, grätschte die Beine und tat so, als bewege er seinen Kopf im Takt zu seinen Beckenbewegungen, während er einen geblasen kriegte. Dabei stieß er abscheuliche Grunzlaute aus. »Hier … kommt … der … Imbiss … ächz … ächz … mhmmm …«
    »Hat mal jemand versucht, von dort abzuhauen, Jimmie?«, unterbrach ich seine Vorstellung und hob die Hand, damit der Aufseher sich nicht einmischte.
    »Jaaaa«, zischte er.
    »Und … ist die Flucht gelungen?«
    Hawkes’ verbliebenes Auge bohrte sich in meine, während er die Hand so bewegte, als würde er jemanden erdrosseln. »Das hat er mit einem Hund gemacht und den KÖTER dann an einem BAUM aufgehängt.«
    Vor meinem geistigen Auge baumelte ein regloser Hund an einem Ast. »Damit sollte euch anderen demonstriert werden, was dem Jungen widerfahren ist, oder?«
    Hawkes winkte mich mit dem Zeigefinger nah an sich heran. »Was sagt Ihnen der Hund, Mister?«,

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