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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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nächsten Hügel und rief: »Bleiben Sie dran!«
    Zwanzig Meter weiter oben warf ich einen Blick auf mein Display, das nun einen weiteren Balken anzeigte.
    »Hier spricht … Cherry … aus Kentucky. Wir brauchen Sie … Notfall.«
    »Ich kann Sie nicht verstehen!«, brüllte ich.
    »Die GPS -Koordinaten lauten …« Ich nahm einen Stift und konzentrierte mich ganz auf das, was die Frau sagte. Sie wiederholte die Koordinaten zweimal, und ich hoffte inständig, dass ich sie richtig verstanden hatte.
    »Wer spricht da?«, rief ich. »Nennen Sie mir Ihren Namen.«
    Der Empfang wurde immer schlechter. Es knirschte, knarzte, und dann war die Verbindung endgültig abgebrochen. Die Anruferin hatte ihre Nummer unterdrückt, und meine Gedanken überschlugen sich, als ich den Hügel hinunterstolperte. Wer hatte mich angerufen? Und wer wusste, dass ich in Kentucky Urlaub machte?
    Ich stutzte. Bestimmt hatte die Anruferin angenommen, ich befände mich in Alabama. Nur das ergab einen Sinn. Zur Sicherheit schaltete ich mein brandneues GPS -Gerät ein, das ich mir für die Reise zugelegt hatte, und gab die Koordinaten ein.
    Sie gehörten zu einem Standort, der ungefähr vier Meilen von meiner Hütte entfernt lag. Meine Anruferin musste also aus der Gegend stammen. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Waffe zu holen, meinen Hund zu füttern, damit er nicht mitbekam, dass ich mich heimlich aus dem Staub machte, in den Truck zu springen und mich vom Navigationsgerät an den Ort leiten zu lassen, an dem ich erfuhr, worum es hier eigentlich ging.
    Ich folgte den Anweisungen des GPS , bis ich auf einen Schotterweg gelangte, dem ich vier Meilen lang folgte. Zuerst rollte ich noch über eine halbwegs befestigte Fahrbahn, doch nach einer Weile bestand der Untergrund nur noch aus festgefahrener, mit Kies gespickter Erde. Ich fuhr um einen Kiefernhain und stieß auf die Überreste eines kleinen einstöckigen Hauses. Die Veranda verfiel und der Mörtel eines gemauerten Steinkamins löste sich aus den Fugen. Dort, wo die Farbe abgeblättert war, verwitterte das blanke Holz. Hinter dem Haus stand ein schiefer Strommast mit Glasisolatoren, die aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts stammten, als die Gegend elektrifiziert wurde und die Menschen in den Appalachen endlich Anschluss an die Neuzeit erhielten.
    Ein schwarz ummanteltes Kabel führte vom Mast zum Haus. An den Isolatoren entdeckte ich frei liegende Kupferdrähte, die darauf hindeuteten, dass hier jemand unrechtmäßig das Stromnetz anzapfte. Dieser Anblick verhieß nichts Gutes. Ich stieg aus und konsultierte noch mal mein Navigationsgerät. Die Koordinaten stimmten. Die Frauenstimme hatte mich genau an diesen Ort lotsen wollen.
    »Hallo?«, rief ich.
    Keine Antwort. Ich hörte nur ein paar Kühe, die in der Ferne muhten. Und dann eine Sirene. Aus Angst vor im Unkraut lauernden Schlangen hielt ich den Blick am Boden und näherte mich vorsichtig dem Haus. Die schiefe Veranda knarzte unter meinen Füßen. Das Netz der Fliegengittertür war morsch.
    Mit gezogener Waffe stieß ich die Tür nach innen auf. Die Bodendielen hatten sich aufgeworfen. Im Wohnzimmer standen kaputte Möbel, auf dem Boden lagen Holzlatten und Putzbrocken, die von den Wänden und der Decke stammten. Durch die mit Brettern vernagelten Fenster fiel kaum Licht. Ein unerträglicher Geruch stieg mir in die Nase, der mich an faulendes Fleisch und Kot denken ließ. Ich musste gegen die aufsteigende Übelkeit ankämpfen und presste mein rotes Bandana auf Nase und Mund. Fliegenschwärme schwirrten im Kreis.
    Durch die Löcher im Dach und die Ritzen zwischen den Fensterbrettern drangen ein paar Sonnenstrahlen herein. Nachdem sich meine Augen auf die Dunkelheit eingestellt hatten, begriff ich, dass das Rechteck in der hinteren Wand eine Türöffnung war. Ich fand einen dreckigen, lädierten Lichtschalter, der allerdings nicht funktionierte.
    Zögernd betrat ich den dunklen Raum. In der Mitte stand ein Bett, auf dem eine menschliche Gestalt mit abgespreizten Gliedmaßen lag. Die Hand- und Fußgelenke waren mit dicken Drähten an die Bettpfosten gefesselt. Der Gestank hätte selbst eine Hyäne in die Flucht geschlagen. Ich kramte ein Butanfeuerzeug heraus und drehte am Rädchen. Als ich mich dem Kopfteil des Bettes näherte, verhedderten sich meine Füße in einen am Boden liegenden Draht, den ich wegkickte. Meine Flamme zitterte in der abgestandenen Luft und erlosch, als mein Finger vom Rädchen glitt.
    Ich

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