Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Willen. Und eigentlich bist du noch zu jung. Aber...«
»Er ist mein Freund, Herr Waldegg, mehr nicht.«
»Gut, lassen wir das auf sich beruhen. Wie steht es mit den anderen jungen Männern, die dich so eifrig umschwärmen?«
»Schwärmen sie?«
»Natürlich. Wenn du erst einmal mehr Erfahrung in der gesellschaftlichen ›Ballistik‹ gesammelt hast, wird es dir auch auffallen. Du hast eine erfrischende Natürlichkeit, die manche Leute sehr zu schätzen wissen.«
»Nicht alle, fürchte ich.«
»Nein, und es wäre ein Zeichen großer Oberflächlichkeit, von jedem geschätzt zu werden. Du wirst immer Neider finden.«
»Oder solche, die mein Benehmen falsch deuten.«
»Gab es die auch?«
»Philipp Wittgenstein hatte eine zudringliche Art, mich beim Walzer zu führen.«
»Opfere deinen Fächer.« Verdutzt sah Antonia den Domherrn an. Er grinste spitzbübisch und erklärte: »Der Degen der jungen Damen! Ich habe schon Männer mit ernsthaften Blessuren im Gesicht gesehen, die von dieser Waffe getroffen wurden. Du brauchst dir nichts gefallen zu lassen.«
»Das Parkett als Schlachtfeld. Ich werde es beherzigen.«
Antonia bückte sich, um eine Aster abzupflücken, drehte sich zu Waldegg um, steckte sie ihm sorgsam ins Knopfloch seines grauen Gehrocks, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen leichten Kuss auf die Wange. »Sie sind so gut zu mir. Danke für all Ihr Verständnis.«
»Antonia!« Gerührt nahm er ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Du bist wahrhaft ein Geschenk. Und du machst mich beinahe verlegen.« Er zog ihren Arm unter den seinen, und so eingehakt gingen sie unter hohen Bäumen weiter, von denen dann und wann ein Blatt hinunterwehte. Dann aber setzte Waldegg die Unterhaltung fort.
»Das Glück scheint mir in den letzten Tagen hold zu sein, Antonia. Gestern erhielt ich einen langen Brief von David.«
»Was schreibt er? Warum haben Sie mir das nicht gestern bereits gesagt? Geht es ihm gut?«
»Kind, du und deine Freundin, ihr wart gestern so mit eurem Putz beschäftigt, da wollte ich nicht stören. Aber – ja, es geht ihm gut. Mein Brief damals hat ihn zu spät erreicht, er hat ihn erst jetzt erhalten. Er lebt inzwischen in Dresden bei einem Baumeister und studiert Architektur.«
»Das ist gut, nicht wahr?«
»Das ist ganz ausgezeichnet. Er hat ein Talent dafür.« Er erzählte ihr alles, was in dem Brief gestanden hatte, während sie sich allmählich wieder auf den Weg zum Ufer machten.
Die Sonne war hochgewandert, und silbrig schimmerte der Rhein, der sich in einer breiten Biegung vor der Stadt durch sein Bett wälzte. Sie warteten auf die »Fliegende Brücke«. Diese eigenartige, viereckige Holzplattform ruhte auf zwei Kielen und beförderte Fuhrwerke und Pferde, wie auch Fußgänger von einer Rheinseite zur anderen. Es war eine geniale Konstruktion. Die eigentliche Fähre hing an einer langen Eisenkette, die mitten im Fluss verankert war und durch sieben Nachen über Wasser gehalten wurde. Die Strömung sorgte dafür, dass so die Plattform majestätisch im Halbkreis von Ufer zu Ufer schwang. Als Antonia und Waldegg kurz darauf an ihrer Reling standen, lag vor ihnen Kölns gesamte Kulisse. Spitzgiebel an Spitzgiebel drängten sich die Häuser hinter der Ufermauer, dazwischen erhoben sich die vielfältigen Türme der Klöster und Kirchen und der Stadttore. Gewaltig, und alles überragend aber thronte darüber wie ein seltsam ebenmäßig hochgewachsenes Gebirge der Dom.
»Es ist schön hier in Köln«, bemerkte Antonia leise. »Es ist schön hier mit Ihnen, Herr Waldegg. Sogar der alte Dom sieht heute Morgen schön aus.«
»Kannst du dir vorstellen, Antonia, wie es wirken würde, wenn die beiden Türme der Kathedrale fertiggebaut worden wären?«
Antonia, den Kupferstichplan vor Augen, gab sich Mühe, dieses Bild zu sehen. »Wahrscheinlich beeindruckend, Herr Waldegg. Aber richtig vorstellen kann ich es mir nicht.«
Der Fährmann legte an, und sie machten sich auf den Heimweg.
Zu Hause angekommen, fanden sie Vormittagsbesucher vor. Philipp Wittgenstein und François Joubertin saßen mit Elena im Salon und erhoben sich höflich, als Waldegg und Antonia eintraten.
»Mademoiselle Antonia, wie munter Sie aussehen! Der morgendliche Tau scheint die letzten Spuren einer durchtanzten Nacht getilgt zu haben. Wie Rosenblätter wirken ihre Wangen.«
»O François, Sie haben wieder Gedichte gelesen.«
»Ich bemühe mich lediglich, mit Ihnen Schritt zu
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