Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Spazierengehen.«
»Ja, ja, das Promenieren und Flanieren! Gib nur Acht, Liebschen, dass man dich nicht erwischt. Die vornehmen Herrschaften lassen in solchen Fällen nicht mit sich spaßen. Und – hopp – fällst du aus dem weichen Nestchen, in dem du jetzt hockst.«
Noch immer ratlos fragte Antonia: »Sag mal, wovon sprichst du überhaupt?«
»Ach sieh mal, das Rauchen kommt ja groß in Mode. Bei uns kauft die vornehme Dienerschaft ein. Da gibt es viel Geschwätz. Nicht, dass ich etwas darauf gebe, aber diese Zöfchen und Kammerdiener, die flüstern einiges davon in die Ohren ihrer Herrschaften.«
»Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Marie.«
»Nein? Weißt du nicht? Schätzegen, mir kannst du doch nichts vormachen. Ich verstehe es ja. Ein Mädchen deiner Herkunft muss sehen, wo es bleibt, nicht? Ein reicher, älterer Liebhaber ist nicht die schlechteste Lösung, wenn man jung ist. Aber du spielst ein gefährliches Spiel!«
Antonia schüttelte eher verblüfft als erzürnt den Kopf. Sie dachte an François, mit dem sie am Nachmittag zuvor im Caféhaus gesessen hatte. Sollten die Klatschmäuler ihn etwa für ihren Geliebten halten? Was für ein Blödsinn! Zudem war er gerade fünf Jahre älter als sie.
»Ich spiele überhaupt kein Spiel, Marie. Verrat mir endlich, was für ein dummes Gerede an deine Ohren gekommen ist.«
Listig sah Marie sie an. »Es hat schon lange keine Eierkuchen mehr bei uns gegeben«, seufzte sie dann und warf einen traurigen Blick auf die Eier in Antonias Korb.
»Das betrübt mich, Marie. Dann nimm die Hälfte der Eier. Aber sag mir dafür, was du gehört hast. Ich will nicht, dass irgendjemand mir etwas anhängt, was auf den Domherrn zurückfallen könnte.«
Fünfzehn Eier verschwanden in Maries geräumiger Schürzentasche.
»Sei in bisschen vorsichtig, wenn du in der Öffentlichkeit mit ihm herumpoussierst. Man hat viele Vermutungen angestellt, weshalb du in dem vornehmen Haus aufgenommen worden bist.«
»Herumpoussieren? Ich?«
»Ja, ja, Liebelein. Scheinst ihm mächtig um den Bart zu gehen, dem alten Herren. Ist ja auch besser, als sich so einen unzuverlässigen Jungspund zu nehmen. Es ist bloß...«
Antonia dämmerte allmählich, was Marie vermutete, und eine kalte Wut stieg ihr in die Kehle. »Willst du damit andeuten, ich hätte mit dem Domherrn ein Verhältnis?«
»Na, ist doch offensichtlich! Warum solltest du sonst morgens in den Gärten mit ihm herumschmusen?«
»Marie, wer erzählt dir so etwas?« Aber Antonia wusste es in diesem Moment schon. Die fröhliche Picknickgesellschaft, die ebenfalls nach Deutz gefahren war, hatte sie einige Zeit beobachtet.
Marie las in ihrem Gesicht Erkenntnis und Verstehen und fuhr, da sie ihre Beute in den Fängen glaubte, genüsslich fort: »Siehst du, wohledles Fräulein! Darüber wird bei den Dienstboten geredet. Kann nicht mehr lange dauern, bis dich die Damen mit abfälligen Blicken mustern, wenn du so weitermachst. Zumal die Frau Waldegg einsam zu Hause sitzt und für die gefallenen Weiber Strümpfe strickt.«
»Was für eine absurde Behauptung!«
»Ja? Aber die Leute glauben nun mal, was sie sehen. Und was sie hören, Antonia. Die Gerüchte könnten ja noch viel, viel peinlicher werden. Denn man munkelt ja sogar, der Waldegg sei dein leiblicher Vater. Vielleicht stimmt es, vielleicht auch nicht. Blutschande ist ja sogar ein Verbrechen, nicht wahr?«
»Marie Stammel, möchtest du damit andeuten, dass du derartige Gerüchte zu verbreiten gedenkst?«
»Aber bestimmt nicht. Ich werde sie ganz gewiss immer widerlegen. Aber ich sagte ja, es geht uns im Augenblick nicht so sehr gut.« Marie gewahrte mit plötzlichem Erschrecken, wie Antonias Augen kalt wurden. Ihre Stimme klang leise, und der Ton wurde eisig.
»Du hältst das für einen passenden Weg, mich um Hilfe anzugehen, Marie Stammel? Wahrhaftig? Ich will dir mal was sagen, Marie. Der Pitter war einst mein Kamerad, meine Mutter und mein Vater haben sich um ihn gekümmert, als er in den Krieg zog. Ich hätte, wenn ich von seiner traurigen Lage gewusst hätte, eine Möglichkeit gefunden, ihm zu helfen. Aber, Marie Stammel – erpressen lasse ich mich nicht.«
»Nein, Liebschen? Aber denk doch mal an den Ruf, den dein Domjraf hat.«
»An diesem Ruf, der so ehrenwert wie nur einer ist, wirst du nicht kratzen! Auch nicht mit dem schmutzigen Gewäsch, das du verbreitest. Wer ihn kennt, weiß, dass daran kein Fünkchen Wahres ist. Also geh mir aus den Augen!«
Antonia
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