Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Mademoiselle?«
»Vermutlich weniger an mir als an den Waldeggs. Der Domherr und Kormann können sich nicht besonders gut leiden. Es gab – und gibt – noch einige Differenzen. Sie betreffen, soweit ich es weiß, die Frage des Dombaus.«
»Ah, ich verstehe. Kormann ist ein eifriger Vertreter des Abbruchs. Das kann Waldegg natürlich nicht sein. Wissen Sie was – derzeit ist die Lage ja nicht bedrohlich, aber wenn er etwas sucht, um Ihnen und Ihrer Familie Schwierigkeiten zu bereiten, dann müssen wir wachsam sein.«
Antonia dachte an Waldeggs Pläne, seine Söhne rechtlich anzuerkennen, und meinte: »Mir wäre lieber, ebenfalls etwas über sie zu wissen, womit man nötigenfalls handeln kann. Madame Waldegg ist von Charlottes Harmlosigkeit überzeugt. Sie ist gelegentlich recht naiv. Ich bin das nicht. Diese Charlotte hat ihr einst eine rührselige Geschichte aufgetischt, die nicht wahr sein kann. Ich wüsste gerne, aus welchen Verhältnissen Madame Kormann stammt. Sie haben doch sicher Zugang zu den Kirchenbüchern.«
Joubertin zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Welcher Jahrgang schwebt Ihnen vor?«
»So um 1782, ein Jahr mehr oder weniger. Allerdings habe ich keine Ahnung, in welchem Pfarrbezirk man suchen sollte.«
»Probieren wir es im ersten Griff mal mit den ärmeren Gegenden, was meinen Sie?«
»Ja, das könnte das Feld eingrenzen.«
In traulichem Einvernehmen beendeten sie ihren nachmittäglichen Ausflug.
Am nächsten Vormittag aber lenkte sie zunächst eine andere Angelegenheit von Charlottes Umtrieben ab.
»Birnen, Fräulein Antonia, und ein halbes Schock Eier. Wenn Sie bekommen, auch indischen Tee«, bat die Köchin.
»Ich werde sehen, was sich beschaffen lässt, Jakoba.«
»Hier ist das Geld. Es müsste reichen. Auch für den Tee.«
Antonia nahm die Körbe auf, mit denen sie morgens über den Markt ging. Jakoba nickte ihr zum Abschied aufmunternd zu. Die Beschaffung der Lebensmittel, die nicht an die Tür geliefert wurden, hatte sie ihr inzwischen zur Gänze anvertraut. Antonias Erfahrung im Auffinden exotischer Waren war unübertroffen; es schien, als wittere das Mädchen geradezu, wo es etwas zu besonders günstigen Konditionen gab oder wer einen Restposten ausgefallener Delikatessen hortete. Das Handeln lag ihr im Blut. Immer brachte sie noch etwas Geld von ihrer Einkaufsrunde zurück. Über die nicht ganz legalen Geschäfte, die sie abwickelte, um an bestimmte Kolonialwaren zu kommen, schwiegen sie beide wohlweislich.
Frohgemut schwenkte Antonia ihre Körbe und freute sich an dem kühlen, sonnigen Morgen. Die Stände auf dem Alten Markt waren reich gefüllt, die Kundschaft, Bürgersfrauen und Köchinnen, Dienstmädchen und Hausknechte, schwatzten munter mit den Marktleuten, hier wurde gefeilscht, dort über die Qualität räsoniert, Hühner gackerten in ihren Weidenkörben, ein Bauer pries lauthals seinen Kappes an, und ein Obsthändler schrie empört einem schmutzigen Bengel hinterher, der einen Apfel stibitzt hatte. Es war eine vertraute Atmosphäre, die Antonia hier vorfand. Sie kaufte die Dinge ein, die Jakoba ihr aufgetragen hatte, und blieb an einem Stand mit Honigwaben stehen.
»Ach schau da, das wohledle Fräulein Antonia«, sprach sie eine bekannte Stimme an, und als sie sich umdrehte, erkannte sie die magere, scharfgesichtige Frau.
»Marie Stammel! Einen guten Morgen wünsche ich dir. Gehst du einkaufen?«
»Schön wär’s. Reicht nicht mehr für dicke Eier und fette Butter. Aber dir geht’s jetzt ja prächtig, was, Antonia?«
»Ich habe ein gutes Zuhause gefunden, ja. Wie geht es Pitter? Du hast doch ein Kind geboren. Ein Junge oder ein Mädchen?« Obwohl Antonia mit Marie nicht besonders gut ausgekommen war, wollte sie nicht unhöflich sein. Und an Pitter Stammels Wohlergehen hatte sie ein aufrichtiges Interesse.
»Ist ein Junge. Willem. Ein kränkliches Wurm. Das macht es nicht besser. Pitter haben sie verhaftet.«
»Mein Gott, Marie! Was ist passiert?«
»Der Dummkopf hat sich erwischen lassen, als er Tabak beschafft hat.«
»Herrje...«
»Tja, wohledles Fräulein, so geht das nun mal. Du musst auch vorsichtig sein, das will ich dir nur raten.«
»Ich? Marie, ich fahr doch nicht über den Rhein, um den Zöllnern ein Schnippchen zu schlagen.«
»Nein, du fährst aus anderen Gründen rüber, was?«
Verständnislos sah Antonia die Tabakhändlerin an. Sie wusste nicht, dass Marie am Abend zuvor einen Leckerbissen an Information erhalten hatte.
»Ja, zum
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