Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
noch trafen Nachzügler von dem Gewaltmarsch der letzten Tage hier ein, um sich zu sammeln. Die Offiziere hatten sich in dem Gasthaus einquartiert, und Jupp, der sich als Kurier auswies, richtete einem Adjutanten aus, Colonel Renardet möge sich eine ungewöhnliche Meldung anhören. Der Adjutant sah den vermeintlichen Trossbuben zweifelnd an, schob ihn aber dann doch in den Raum.
Die Offiziere hatten es sich in der Schankstube gemütlich gemacht. Tabakrauch und der Geruch nach Braten hingen in der Luft, Bierkrüge standen auf den Tischen, die Männer hatten ihre Uniformkragen geöffnet oder die Röcke abgelegt. Der Adjutant drängte sich zu einem der hinteren Tische durch und kam gleich darauf mit dem Colonel zurück.
»Toni, was ist passiert?«
»Ich habe eine Meldung zu machen, mon Colonel!«
»Soso.« Er schob Toni in ein Nebenzimmer, wo auf einem Tisch etliche Karten ausgebreitet waren. »Dann berichte.«
Toni holte tief Luft und versuchte, so klar wie möglich darzustellen, was sie belauscht hatte.
»Bei Schleiz«, wiederholte Renardet nachdenklich und tippte mit dem Finger auf einen Ort auf der Karte. »Das muss das Korps Tauentzien sein. Nach Neustadt wollen sie morgen früh aufbrechen.« Er wandte sich zu Toni und meinte: »Das war eine nützlich Nachricht, mein Junge.«
»Der Leutnant David hätte sie gerne in den Pässen abgefangen.«
»Hätte er? Donnerwetter. Da wären wir in böse Bedrängnis gekommen. Beruhigend, dass der junge Mann keine Befehlsgewalt hat.«
»Wo werden Sie sich mit ihnen schlagen?«
»Dort, wo wir sie haben wollen. Unser Feldherr, Toni, ist nämlich genial. Du kannst sicher sein, wären die Preußen durch das Gebirge gezogen, wir hätten sie an den Pässen abgefangen.«
Nachdenklich nagte Toni an ihrer Unterlippe und sah dann zu dem hoch gewachsenen Renardet auf.
»Es tut mir fast leid, dass ich sie verraten habe, mon Colonel.«
Er maß den vermeintlichen Buben mit einem verständnisvollen Blick. »Wir sind im Krieg, Junge. Das Ultimatum ist abgelaufen.«
Toni nickte. Ja, es war Krieg. Aber der Feind hatte seit heute Nachmittag ein Gesicht. Und zwar das eines gut aussehenden jungen Mannes. Sie konnte ihre Beklommenheit nicht ganz verbergen. Renardet bemerkte es.
»Ihr hättet nicht wieder mitziehen sollen, Toni, du nicht und auch deine Mutter nicht.«
»Sie kann ihre Söhne nicht alleine lassen, mon Colonel.«
»Sie ist sehr mutig. Lass dich von deinem Bruder zurückbringen. Wir haben hier jetzt noch zu tun.«
Antonia begegnete Renardet kurz darauf unter dramatischeren Umständen wieder. Die Kampfhandlungen begannen am Morgen, und als sie am Abend auf dem Weg zu dem Flüsschen in ihrer Nähe war, um Wasser zu holen, sah sie ein Pferd, das reiterlos am Ufer stand. Vorsichtig hielt sie nach dem Besitzer Ausschau. Sie fand ihn, blass und mit geschlossenen Augen an einen Baumstamm gelehnt sitzen. Mit seiner linken Hand hielt er ein Tuch an seine rechte Schulter gedrückt. Es war blutrot.
»Colonel Renardet! Sie sind verwundet.«
Mühsam öffnete er die Lider. »Oh, Toni.«
»Was verschlägt Sie hierher?«
»Muss nach Saalburg, dem Marschall Bericht erstatten.«
»Dazu sind sie doch gar nicht in der Lage. Sie bluten zu sehr.«
»Heckenschütze. Hab zwei Mann Begleitung verloren. Pferd durchgegangen.«
Es huschte ein kleines Lächeln über Tonis Gesicht. »Ich habe keinen Rapport von Ihnen verlangt, mon Colonel. Aber ich werde mich um Ihre Blessur kümmern.«
Renardet litt zwar starke Schmerzen, aber ein geisterhaftes Lächeln glitt sogar jetzt über sein graues Gesicht.
»Du scheinst die schwierige Aufgabe übernommen zu haben, als mein rettender Engel zu wirken, Toni. Ob verirrt oder verwundet, auf dich kann ich zählen.«
»Würde ich mich nicht immer drauf verlassen, mon Colonel. Aber Sie haben Glück. Wir haben unseren Wagen etwa hundert Schritt von hier. Schaffen Sie es bis dorthin? Mama hat immer einen Vorrat an Verbandsmaterial, und sie ist ganz geschickt im Versorgen von Wunden.«
»Sie wird die Kugel entfernen müssen.«
»Wär auch nicht das erste Mal.« Toni half Renardet auf sein Pferd, füllte ihre Eimer mit Wasser und führte ihn dann zum Marketenderwagen.
»Mama, ein Verwundeter!«
»Colonel Renardet!«
Gemeinsam schafften sie den Verletzten in das Zelt und setzten ihn auf einen Hocker. Elisabeth erteilte Anweisungen, und Toni übersetzte sie für Renardet.
»Wir müssen Ihnen den Rock ausziehen, Colonel. Es wird schmerzhaft.«
»Ich
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