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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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schlug sie deshalb vor, aber er schüttelte den Kopf.
    »Der Dienst eines Mannes wäre mir da lieber.«
    »Also gut.« Toni stellte die Suppenschale ab und trat zu ihm, um ihm beim Aufknöpfen des Hosenlatzes zur Hand zu gehen. Überrascht nahm sie seine körperliche Reaktion darauf wahr. Und noch überraschter war sie, als er ihr den gesunden Arm um die Schultern legte und sie an sich zog.
    »Colonel!« Scharf schnitt Elisabeths Stimme durch das Zelt. »Toni, raus mit dir!«
    Erleichtert huschte Toni aus dem Zelt. Ganz wohl war ihr bei der Angelegenheit nicht gewesen. Sie beaufsichtigte wieder den Kessel und teilte weitere Schalen Suppe aus. Es war ruhig an den niedergebrannten Lagerfeuern geworden, und die Umsitzenden starrten schweigend in die Glut. Ein Reiter bahnte sich den Weg durch sie hindurch, und als er abstieg, erkannte Toni den Adjutanten, der sie am Vorabend zu Renardet gebracht hatte.
    »Ah, der Trossbub. Du weißt etwas über den Verbleib des Colonels, richtete man mir aus? Wo ist er, wir waren schon in Sorge um ihn.«
    »In unserem Zelt, er wurde angeschossen. Rechte Schulter.«
    »Was habt ihr mit ihm angestellt?«, wollte der Adjutant barsch wissen und versuchte, sich an ihr vorbei zum Zelt zu drängen. Sie verstellte ihm den Weg.
    »Fauchen Sie mich nicht so an. Wir haben ihn besser versorgt als Ihr Feldscher.«
    »Wie willst du das beurteilen, Junge?«
    »Weil meine Mutter die Kugel entfernt und die Wunde genäht hat.«
    Der Mann schien besänftigter. »Kann er reiten?«
    »Wahrscheinlich. Aber er braucht Hilfe. Es ist eine sehr schmerzhafte Operation gewesen. Sie werden feststellen, dass er nicht ganz bei Sinnen ist.«
    »Oh.«
    »Um es klarer auszudrücken, er ist betrunken.«
    »Nun, das war auf jeden Fall eine zuvorkommendere Behandlung, als die, die er durch unseren Feldscher erhalten hätte«, erwiderte der Mann jetzt mit einem Grinsen.
    Elisabeth war inzwischen auch wieder aus dem Zelt getreten. Toni wies auf den Adjutanten und erklärte: »Er ist gekommen, um sich um den Colonel zu kümmern.«
    »Das ist gut so. Er wird einen kurzen Ritt überstehen.«
    Kurze Zeit später trat Renardet zusammen mit seinem Adjutanten aus dem Zelt. Er hatte den Uniformrock wieder übergezogen, den rechten Arm aber fest bandagiert in einer Schlinge. Von Elisabeth verabschiedete er sich kühl, aber höflich, Toni hingegen nickte er nur kurz zu. Darum neigte sie nur den Kopf, verfolgte aber verstohlen, wie er mühsam in den Sattel kam und dann, ohne sich noch einmal umzuwenden, in die Nacht hinausritt. Sie strich sich mit dem Handrücken über die Stirn, als würde das den Gedanken an ihn vertreiben.
    Schließlich schöpfte sie sich eine Schale Suppe aus dem Kessel und setzte sich, den Rücken an ein Rad des Wagens gelehnt, in die Dunkelheit. Die meisten Männer hatten sich in ihre Decken gerollt und schliefen an den heruntergebrannten Feuern. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen, und der nächste versprach, nicht leichter zu werden. Toni verspürte auch eine große Müdigkeit, aber mehr als das war sie unglücklich. Früher war es leichter gewesen, vor Jahren, als sie noch ein Kind war. Warum das so war, konnte sie nicht so recht ergründen. Äußerlich hatte sich nichts verändert. Sie ging mit ihren kurzen Haaren, ihrer Knabenkleidung, ihrem mageren, sehnigen Körper, ihren burschikosen Bewegungen und ihrer verhältnismäßig tiefen Stimme noch immer als Junge durch. Das Wenige an Busen, das sie entwickelt hatte, verschwand unter einem engen Leibchen, und um ihre sanitären Bedürfnisse kümmerte sie sich ausschließlich in der kleinen Privatsphäre des Marketenderstands. Warum war ihre Unbedarftheit plötzlich verschwunden? Sie hatte schon vorher Verwundete mit ihrer Mutter zusammen versorgt, der männliche Körper und seine Reaktionen waren kein Geheimnis für sie. Automatisch führte sie Löffel um Löffel Suppe zum Mund und schluckte, ohne zu schmecken, was sie aß. Essen war wichtig, es war nicht sicher, ob es am nächsten Tag genug geben würde.
    Röcke raschelten, und Elisabeth setzte sich neben Toni. Sie reichte ihr einen Becher mit Wein.
    »Du bist mir nicht mehr böse, Mama?«
    »Ach, Toni.« Elisabeth tat etwas, was sie in der letzten Zeit nur noch selten gemacht hatte. Sie zog Tonis Kopf an ihre Schulter und streichelte ihr die Haare. »Ich war dir nicht böse. Auch dem Colonel nehme ich sein Verhalten nicht übel, obwohl ich ihm eine Strafpredigt gehalten habe. Weiß der Himmel, was er

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