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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dünn, und kleine Fältchen knitterten die wettergegerbte Haut. Wenn sie lächelte, sah man, dass ihr ein Eckzahn fehlte. Ihre braunen Haare hatte sie mit Henna ungleichmäßig rötlich gefärbt, aber ihre Hände waren erstaunlich weich. Es war mehr die Aufmerksamkeit, zunächst unerwünscht, dann erträglich und schließlich sogar wohltuend, die ihn plötzlich anzog. Vielleicht war es auch das warme Essen und der schwere Rotwein, den er sich mit ihr teilte.
    »Wie viel verlangst du?«, war schließlich seine erste Frage.
    »Ah, Capitain, für dich nur einen Freundschaftspreis.«
    Doch der, den sie nannte, entlockte ihm ein Schulterzucken.
    »Das ist weniger, als das Zimmer hier kostet«, verteidigte sie sich.
    »Ich zahle schon für das Essen.«
    Sie machte ein niedrigeres Angebot, aber klickte ihren Becher an den Weinkrug. »Aber dann noch eine Pinte Wein. Wir nehmen sie mit nach oben.«
    »Also gut.«
    »Wie heißt du, Capitain?«
    »Was interessiert es dich?«
    »Menschen haben Namen, keine Nummern oder Titel, nicht wahr? Ich heiße Bice.« Sie hakte sich bei ihm unter, als er aufstand, und winkte dem Wirt, ihr Wein zu reichen.
    Sie war knochig und ernüchternd unsinnlich bei ihrem Geschäft, aber ihre Haut war zart und ihr Schoß warm. Für eine Weile vergaß Cornelius sogar die vergangenen sieben Jahre. Er fühlte sich wieder als ein Mann, wenngleich nicht als Held. Als er sich neben sie rollte, wollte sie wissen: »Wie lange warst du im Bagno?«
    Er zeigte gewohnheitsgemäß seine Überraschung nicht, sondern nahm nur einen tiefen Schluck von dem Wein. Aber dann fragte er doch: »Wie kommst du darauf?«
    »Die Brandmarke auf deiner Schulter, Capitain. Die wird dich immer verraten.«
    Die F-förmige Brandnarbe hatte er tatsächlich vergessen. Im flackernden Schein der Kerze betrachtete er die Frau neben sich. Sie sah ihn unverwandt an, nicht neugierig, nicht kokett, aber ihre dunklen Augen wirkten bezwingend. Auf seltsame Weise hatte er das Gefühl, als ob sie in seinen Gedanken läse. Als könnte sie sogar verstehen, was er selbst nicht verstand. Plötzlich überkam ihn das Bedürfnis, mit ihr zu reden. Wenn er auch nicht recht wusste, wie. Immerhin nannte er ihr jetzt seinen Namen. Nicht den ganzen.
    »So heißt du also: Cornelius. Ein Fälscher. Was kannst du noch?«
    »Mit Holz arbeiten.«
    »Das können die meisten, die von dort kommen. Aber du kannst mehr als nur Balken schleppen.«
    »Ich habe in der Tischlerei gearbeitet.«
    »Gut geführt und begnadigt.«
    Er nickte.
    »Du weißt viel darüber.«
    »Man lernt hier einige kennen, Cornelius. Aufseher, Gefangene, Entlassene, Entlaufene. Manche tragen ihre Nummer ein Leben lang. Erzähl mir, Cornelius, was du erlebt hast.« Sie reichte ihm den frisch gefüllten Becher.
    Er trank und berichtete stockend vom Pranger, von der Kette, von Pierre. Es ging leichter, als der Wein seine Wahrnehmung verwischte. Er konnte die Demütigung in Worte kleiden, wenn auch nicht alle Erniedrigungen, die er erfahren hatte. Er konnte von der Trauer und der Einsamkeit nach Pierres Tod sprechen, und merkte, dass ihm dabei die Tränen über die Wangen liefen. Bice hörte zu, ihre seltsamen Augen noch immer auf ihn gerichtet, doch ohne ein Wort zu sagen. Dann füllte sie abermals seinen Becher aus dem Krug, der neben ihr auf der Truhe am Bett stand.
    »Trink, Cornelius.« Ihre Stimme war heiser geworden, ihr Lächeln wirkte auf ihn plötzlich unsagbar schmerzlich. Er strich ihr über die Wange, bevor er den Becher aus ihrer Hand nahm und trank. Sie schwiegen einträchtig, beide in ihre eigene Welt versunken. Keine von ihnen war die beste aller Welten, sie ähnelten viel mehr der alten Vorstellung von Hölle und Verdammnis.
    »Wo bist du zu Hause?«
    Hatte sie das wirklich gefragt? Cornelius fühlte sich schwach und sehr müde. »In Köln.«
    »Das ist weit weg von hier, nicht wahr?«
    »Sehr weit. Unendlich weit.« Seine Worte kamen undeutlich, er bemerkte es selbst. Aber Bice, so nah und so warm, streichelte ihm zärtlich über den Rücken. Ihr Gesicht verschwamm, wurde jünger und schöner. Sie zog ihn noch einmal in ihre Umarmung. Leise flüsterte sie: »Komm her zu mir, Cornelius. Auf einen Mann wie dich habe ich lange gewartet.«
    Er ließ sich fallen.
     
    Als er aufwachte, hatte er ein Moosbeet in seinem Mund, und die Welt schien um ihn herum zu schwanken. Vorsichtig öffnete er die Augen. Helles Licht blendete ihn, und er atmete den vertrauten Geruch von geteertem Holz

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