Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Er war zwar 1794 mit dem gesamten Kapitel nach Arnsberg gezogen, war aber schon nach zwei Jahren zurückgekehrt, vom Erzbischof selbst beauftragt, sich um die Rettung verbliebener Bestände zu kümmern.
»Ich werde so bald wie möglich bei ihm vorsprechen. Es tauchen ja jetzt immer wieder durch die eigenartigsten Kanäle irgendwelche Kunstwerke auf. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie mir diese Nachricht haben zukommen lassen. Darf ich Ihnen vielleicht ein Gläschen Wein oder einen kleinen Schluck Himbeerliqueur anbieten?«
»Danke, nein. Ich habe noch eine Verabredung mit Ihrer Haushälterin, die mich in die Kunst der Marzipanherstellung einweihen will.«
»Eine höchst wichtige Fähigkeit, mein Kind. Sie werden Männer in Scharen zu Ihren Füßen liegen haben, wenn Sie sie beherrschen. Wir, das ach so starke Geschlecht, haben nämlich eine heimliche Neigung zu süßen Naschereien.« Waldegg schien jetzt aufgeräumter Stimmung zu sein und verabschiedete sich herzlich von ihr. Aber als sie aufstand, um die Bibliothek zu verlassen, fiel ihr Blick auf die Überschrift des Artikels, den er zuvor studiert hatte. »Weit über 10 000 Mann Verluste auf Seiten der preußischen und sächsischen Truppen.«
Jakoba war eine Frau hoch in den Sechzigern, langsam und umständlich und ein wenig harthörig. Sie begrüßte Susanne leutselig, eine regierende Königin im Reich der Küche. »Marzipan also soll es heute sein, Fräulein Bernsdorf?«
»Ja, bitte sehr. Der Großmutter hat das Konfekt so außerordentlich gut geschmeckt, das Frau Waldegg uns vergangene Woche mitgebracht hat.«
»Nur der Großmutter?«
Susanne kicherte und schlug die Augen theatralisch nieder. »Nein. Dem Großvater auch.«
»Männer!«, knurrte die Köchin, sah aber zufrieden aus. »Nun, dann binden Sie sich die Schürze um, Fräulein, wir werden den Mandeln die Haut abziehen.«
Nach einer lehr- und genussreichen Stunde hatte Susanne ein Spanschächtelchen wohlgeratener Pralinés erzeugt und präsentierte ihre Arbeit der Dame des Hauses.
»Das mundet recht vielversprechend, Fräulein Bernsdorf.« Elena Waldegg hatte ein Häppchen von dem Marzipan genommen und machte einige Vorschläge, wie man die Pralinés weiter mit Schokoladenglasur und kandierten Früchten verfeinern könnte. Sie tranken dazu aus kleinen, hauchdünnen Tässchen schwarzen, süßen Mokka. »Schade, dass mein Gatte schon aufgebrochen ist. Aber Ihre Nachricht hat ihm keine Ruhe gelassen.« Sie rückte Mokkakännchen und Zuckerdose gewissenhaft auf dem Tisch zurecht. Auf dem Boden vor dem Kamin jedoch stand ein silbernes Schälchen, aus dem Milli soeben den letzten Tropfen Sahne leckte.
»Er hat großes Interesse an den Kostbarkeiten, nicht wahr?« »Es hat ihn tief betroffen gemacht, wie mit den Domschätzen verfahren wurde. Er hatte früher die Aufsicht über das Archiv, und es scheint, dass vieles daraus nun für immer verschollen ist. Wir haben letzthin gehört, ganze Wagenladungen alter Handschriften seien in einen Sumpf gekippt worden, um ihn zu befestigen.«
Zugegebenermaßen hatte Susanne nicht das rechte Interesse an alten Pergamenten. Das Altartuch, das nun säuberlich zusammengelegt in dem Handarbeitskorb ruhte, faszinierte sie mehr. Ihre Gastgeberin folgte ihrem Blick und lächelte sie an. »Ja, ja, ich war in der Zwischenzeit auch fleißig. Ich habe den Saum fertiggestellt und werde jetzt ein Blumenmuster auf den Stoff übertragen. Allerdings habe ich mir gedacht, man sollte in der Mitte ein christliches Symbol einbringen. Sonst sieht es allzu sehr wie ein Tischtuch aus.«
»An was hatten Sie denn gedacht?«
Elena schlug das immer griffbereit liegende Brevier auf und deutete auf eine Abbildung. »Etwa dies hier.«
Das blutende, von Schwertern durchbohrte Herz Jesu fand nicht Susannes Zustimmung, aber sie kommentierte es nicht, sondern nippte an ihrem Mokka.
»Ja, das könnte wahrscheinlich gehen. Aber Frau Waldegg, das Tuch soll doch an Pfingsten den Altar schmücken. Warum wollen Sie da nicht die weiße Taube zwischen die Blumen setzen?«
»Fräulein Bernsdorf, Sie sind ein Genie! Natürlich. Wie passend in jedem Sinne!«
»Wenn Sie möchten, übertrage ich Ihnen das Muster auf den Stoff.«
»Oh, wenn Sie noch so viel Zeit hätten? Dafür wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar.« Sorgfältig räumte Elena die Schale mit roten Äpfeln beiseite und faltete ordentlich die Decke zusammen. Susanne breitete mit Schwung das Tuch aus und zeichnete frei auf den weißen
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