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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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seine Frau eine sehr kultivierte Dame, und er liebt seinen Sohn sehr. Wenn du ihm Botschaft von ihm bringst, wird er überglücklich sein. Allerdings wäre da eine Kleinigkeit zu ändern.«
    »Was meinen Sie, Nikolaus?«
    Der Leutnant drehte sich zu Renardet um. »Ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben und nur Schweigen darüber bewahren, oder ob Toni seine Rolle so bewundernswert spielt.«
    »Welche Rolle, Leutnant?«
    »Toni, ich fürchte, zu deinem eigenen Besten muss ich ihm dein Geheimnis verraten.«
    Toni zuckte mit den Schultern und meinte: »Es macht jetzt nichts mehr aus.«
    »Mon dieu!«, stieß Renardet plötzlich aus. »Ich Narr!« Dann wurde er erstaunlicherweise dunkelrot.
    Toni wusste sofort, woran er sich erinnerte, und durch allen Schmerz und Kummer hindurch stahl sich ein geisterhaftes kleines Lächeln auf ihre Lippen.
    Da Renardet einige Minuten brauchte, um seine Fassung wiederzugewinnen, nutzte er die Zeit, um ihnen drei Gläser Wein einzuschenken.
    »Die Frage der Unterbringung von Toni sollte bald geklärt sein«, schlug Nikolaus vor. Sie wird schwerlich im Lazarett zwischen den Männern schlafen können.«
    »Natürlich nicht.« Der Colonel stand auf, rief seine Adjutanten und befahl ihm, ein Zimmer im Dorf zu requirieren. Dann zog er ein neues Blatt Papier hervor und warf nach kurzem Überlegen einige Zeilen darauf.
    »Ich habe wenig gute Bekannte in Köln, Toni. Aber ein junges Mädchen aus der Familie, bei der ich wohnte, hat durch ihre Gutherzigkeit und Freundlichkeit auf mich einen tiefen Eindruck gemacht. Suchen Sie sie auf. Sie werden eine Freundin dort brauchen, die gleichen Alters ist. Auch Sarah Susanne Bernsdorf bedurfte damals einer Freundin. Sie wird sich an mich erinnern.«
     
    Ein Empfehlungsschreiben an eine junge Dame aus gutem Hause war also das erste der Papiere, die Toni im Dom noch einmal las. Sie faltete es sorgsam wieder zusammen. Eine Tochter aus gutem Hause war ganz bestimmt nicht die rechte Hilfe für einen abgerissenen Trossbuben. Und auch das Haus des wohledlen Domherrn von Waldegg nicht, für den sie von Nikolaus ein langes Empfehlungsschreiben erhalten hatte. Das allerdings würde sie abliefern müssen. Irgendwann. Denn es enthielt eine Beschreibung der Taten seines Sohnes David.
    Das nächste Stück Papier, ein abgerissener Zettel mit der unbeholfenen Schrift ihrer Mutter, brauchte sie nicht zu lesen. Die Worte waren in ihr Gedächtnis eingebrannt.
    »Antonia, deine Mutter war eine Nonne von Sankt Mauritius. Sie hieß Deodata. Sie hat keine Schuld. Such Sie, wenn es notwendig wird. Du bist immer mein Kind. Gottes Liebe mit dir. Elisabeth Dahmen.«
    Neben der Trauer wallte wieder das heiße Gift der Verachtung in ihr auf. Eine scheinheilige Nonne hatte sie geboren. Eine barmherzige Schwester hatte sie fortgegeben. Vermutlich musste sie sie suchen, denn es war der letzte Wille ihrer wahren Mutter. Aber jetzt noch nicht.
    Das vierte Schreiben war von fremder Hand verfasst und kündete von einem weiteren Verlust. Sie hatte es in Darmstadt in ihrem Häuschen vorgefunden. Zusammen mit einer Kiste Bücher. Der Apotheker aus Arnsberg hatte ihr mitgeteilt, Pater Emanuel sei im Frühjahr des Jahres sanft entschlafen. Seine letzten Gedanken und Gebete hätten ihr gegolten, und es war ihm wichtig, ihr noch eine Botschaft zu übermitteln. Es sei ihm, Pater Emanuel, gelungen, den Pfarrer von Altenkleusheim davon zu überzeugen, die Handschriften in jener verborgenen Köhlerhütte zu suchen. Er hoffe, der gute Mann sei fündig geworden und habe die Kostbarkeiten an sich genommen. Ein liebevoller Segenswunsch bildete den Schluss des Schreibens. Er hatte sich wie ein tröstender Balsam auf ihre Seele gelegt, und wann immer sie an den blinden Mönch dachte, fühlte Toni so etwas wie eine schützende Hand über sich.
    Ihr Bruder Jupp war für den letzten Zettel verantwortlich, auf dem eine einzige Adresse stand. Sie hatten auf dem Ritt von Magdeburg nach Darmstadt nur wenig miteinander gesprochen, die Umstände waren nicht geschaffen für belanglose Plauderei. Aber Jupp hatte wohl die ganze Zeit über intensiv nachgedacht. Das Resultat seiner Bemühungen war erstaunlich.
    »Erinnerst du dich an Pitter Stammel, Toni?«, hatte er eines Nachmittags gefragt.
    »Den Regimentspfeifer? Natürlich.«
    »Wir haben neulich ein paar Kameraden aus Köln getroffen. Einer wusste von ihm. Er ist 1801 zurückgekommen und wohnt jetzt bei Sankt Apern. Ist verheiratet und führt ein kleines

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