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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Bedenke – mit der Wende zum sechzehnten Jahrhundert entdeckte man Amerika, und wenige Jahre später legte Martin Luther seine interessanten Thesen nieder, in denen die Missstände in der Kirche dargestellt wurden.«
    Antonia überlegte angestrengt, aber ihr Wissen war noch nicht fundiert genug, diesen Ausführungen zu folgen.
    »Sie müssen es mir erklären. Ich bin zu dumm, den richtigen Schluss zu ziehen.«
    »Nein, bestimmt nicht. Ich helfe dir. Sieh mal, als Kolumbus nach Amerika segelte, wurde endgültig bewiesen, dass die Erde keine Scheibe ist. Neues, unbekanntes Land tat sich auf...«
    »Der Horizont wurde weiter, nicht wahr?«
    »Richtig, der sichtbare Horizont war nicht mehr das Ende der Welt. Die Sonne kreiste nicht mehr um die Erde, sondern die Erde um die Sonne. Mit dieser Erkenntnis weitete sich der geistige Horizont und gab Blick auf neue Möglichkeiten frei.«
    »Jetzt versehe ich. Wenn man von einem Hügel schaut, so wie es die Feldherren tun, dann kann man aus dem Abstand viel mehr erkennen als ein Soldat, der sich auf der Ebene, mitten in der Schlacht befindet.«
    »Genau das passierte. Diejenigen, die gründlich nachdachten, und derer wurden immer mehr, sahen nun das Leben der Menschen mit neuer Distanz.«
    Antonia nickte und folgerte: »Nicht mehr Rom war der Mittelpunkt der Welt, sondern die Welt war größer geworden. Auch der Himmel bekam eine andere Bedeutung, nicht wahr? Unser Herrgott rückte in weitere Ferne. Kein Wunder, dass sein Vertreter auf Erden diesen Menschen unwichtig wurde.«
    »Die Abkehr von den greifbaren Symbolen des Glaubens, die Hinwendung zum abstrakten Wesen Gottes, war die Folge.«
    »Kein Papst, keine Heiligen – keine Kathedrale.«
    »Kurz und prägnant formuliert. Und kein Geld, um das noch hinzuzufügen. Denn der Bau wurde mit Ablasszahlungen finanziert, jenen Geldern, die die Sünder zahlten, um sich vom Fegefeuer freizukaufen. Diese Praxis hat Luther besonders angeprangert.«
    »Kein Papst, keine Heiligen, kein Fegefeuer – und schließlich keinen Gott mehr. Nur noch die reine Vernunft. So wie es vor einigen Jahren verkündet wurde.«
    »Eine langfristige Abfolge, du hast sie klar erkannt.«
    »Dennoch möchten Sie diese riesige Kirche erhalten. Das Symbol einer überholten Denkweise?«
    »Nicht alle Denkweisen, die überholt scheinen, sind deshalb unbedingt schlecht.« Der Domherr zog seine Taschenuhr aus der Weste und ließ sie an ihrer Kette hin und her pendeln. »Dies ist die Bewegung, wie sie die Geschichte macht, Antonia. Es gibt Ereignisse, die das Pendel weit ausschlagen lassen. Aber nachdem es seinen weitesten Punkt erreicht hat – siehst du hier -, kehrt sich die Tendenz um, und irgendwann kommt es wieder in der Mitte zur Ruhe. Ich spüre es, wir haben nun den größten Ausschlag erreicht, und es tritt eine Wende ein. Selbst die radikalsten Erneuerer dulden wieder Gottesdienste und akzeptieren die kirchlichen Feiertage. Wir sind zum alten Kalender zurückgekehrt, der Papst selbst war bei der Krönung Napoleons anwesend, geschändete Kirchen werden neu geweiht.«
    Antonia tippte mit einem Finger die Uhr an, wodurch sie sich wieder in Bewegung setzte.
    »Das Beispiel hinkt, Herr Waldegg. Oder ich bin zu einfältig, es zu verstehen? Sehen Sie, ich habe lesen gelernt. Diese Fähigkeit bescherte mir viel Wissen und Erkenntnis. Ich kann weder das Lesen noch das Wissen vergessen. Es hat mich verändert. Kann man etwas, was man einmal gelernt hat, wieder vergessen? Kann ich das Lesen verlernen?«
    »Nein, das kannst du nicht. Höhere Einsicht oder tieferes Verständnis verändern tatsächlich den Menschen.«
    »Dann, Herr Waldegg, wird das Pendel nicht zu seiner Ausgangsposition zurückkehren, sondern es muss an einem neuen Ort zur Ruhe kommen.«
    »Kind, deine Einfalt ist die eines Weisen. Du hast vollkommen Recht.« Der Domherr verstaute seine Uhr wieder und lächelte Antonia glücklich an. »Wie du mein Herz erfreust!«
    Antonia trank den letzten Schluck aus ihrem Glas und legte dann den Kopf ein wenig schief.
    »Wenn dem so ist, dann werden Sie mir auch die Frage verzeihen – Sie sind ein Domherr?«
    »Richtig.«
    »Aber Sie sind kein frommer Katholik.«
    »Sag es nicht so laut.«
    Antonia lachte leise. »Aber wenn Sie als Domherr kein Katholik sind, was sind sie dann?«
    »Ein schlichter Maurer, Kind, der nur versucht, seine Arbeit gewissenhaft an diesem Weltgebäude zu verrichten, das ein großer Baumeister sinnreich geplant hat.«
    »Sie mögen

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