Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
solche Bilder, nicht wahr?«
»Ja, ich finde sie sehr anschaulich und angemessen. Aber wir wollen nun das tiefsinnige Philosophieren ruhen lassen, denn ich möchte mit dir einen weiteren Punkt klären, bis wir nach Hause kommen.« Sie hatten die Schenke verlassen und wanderten den Treidelpfad zurück zur Stadt. »Verrate mir, Antonia, welche der drei Damen würdest du als deine Erzieherin willkommen heißen?« Vollkommen verdutzt blieb Antonia mitten auf dem Weg stehen. Sie bekam ein hochrotes Gesicht. »Meine Liebe, jetzt habe ich dich in Verlegenheit gebracht?«
»Ja – ähm...«, stammelte sie. »Woher wussten Sie, das ich gelauscht habe?«
»Ich kann durch geschlossene Türen sehen und erkenne Ohren, so groß wie Suppentassen, die sich davor spitzen.«
»Oh!«
»Außerdem habe ich die Tür extra nur angelehnt, damit du dir eine Meinung zu den würdigen Damen bilden konntest. Und, wie sieht sie aus?«
»Ich will keine der drei. Ich brauche keine Erzieherin.«
»Darüber erlaube ich mir anderer Meinung zu sein. Du braucht eine weibliche Vertraute, die dich in die Feinheiten des Lebens einer jungen Dame einführt.«
»Aber das macht doch Madame.«
»Elena bringt dir die gesellschaftlichen Regeln bei, aber manche Gebiete sind ihr auf Grund ihrer Erziehung und ihres Charakters verschlossen.«
»Die lerne ich durch Bücher und durch Sie, Herr Waldegg.«
»O nein, mir ist das Arkanum des weiblichen Weges verborgen. Wir brauchen eine Dame, die jene Feinheiten beherrscht und dich sanft darin einführt. Welche vermag es wohl?«
Antonia schüttelte noch einmal den Kopf.
»Gewiss nicht diese Frau in dem schwarzen Kleid, die von der Unerlässlichkeit straffer Disziplin blökte und den Nutzen von Rezitieren und Auswendiglernen gängiger Literatur pries. Von alten Feldwebeln habe ich genug, und mit Rezitationen lernt man nicht, die Sache selbst zu verstehen.«
»Gut, dem kann ich zustimmen. Mir hat ihr pädagogisches Prinzip auch nicht gefallen.«
»Die zweite habe ich kaum verstehen können, obwohl ich meine Ohren sogar auf Suppenterrinengröße ausdehnen musste. Aber soweit ich ihr folgen konnte, wünscht sie, mit zarter Hand meine Empfindsamkeit zu wecken. Ehrlich, Herr Waldegg, die sollten Sie um ihres eigenen Seelenfriedens nicht einstellen! Derart empfindsamen Damen verursache ich nämlich quälende Albträume.«
»Dieses Argument überzeugt mich, wenngleich ich der Meinung bin, dass eine gewisse Sensibilität bei einer jungen Dame von Nutzen ist.«
»Ich werde daran arbeiten, möglichst gefällig in Ohnmacht zu sinken.«
»Achte dabei darauf, dass sich immer ein starker, hilfsbereiter Mann in unmittelbarer Nähe befindet.«
»Lieben Männer hilflose Frauen?«
»Ja, Antonia. Es gibt Ihnen das Gefühl der eigenen Überlegenheit.«
»Merde perdu!«
»Siehst du, aus diesem Grund brauchst du eine weibliche Führerin, die deinen Wortschatz glättet und sich mit den kleinen Schauspielkünsten auskennt, die wir Männer besser gar nicht erst ergründen sollten. Du bist innig vertraut mit Zündhütchen und Ballistik. Es ist aber nun an der Zeit, dich mit modischen Hütchen und Ballsälen zu befassen. Die dritte – dein Urteil?«
»Die französische Dame in schillerndem Blau? Deren gelb gefärbte Haare dem Stroh glichen, das in ihrem Kopf steckte? Pardon, Herr Waldegg, noch nie haben Sie mich derart beleidigt! Ihr französischer Akzent roch nach den Fischabfällen des Marseiller Hafens, und die weiblichen Geheimnisse, mit denen sie mich vertraut machen könnte, werden in den dort ansässigen Freudenhäusern praktiziert.«
»Mhm, ja. So ganz konnte ich ihrer hochherrschaftlichen Vergangenheit auch nicht trauen. Woher kennst du das Hafen-Odeur?«
»Ich bin einigen Männern aus dieser Stadt begegnet. Ihr Argot ist eindeutig, und die Schilderungen bestimmter Lokalitäten waren anschaulich.« Antonia kicherte plötzlich. »Trotzdem, sie wäre, wenn es denn sein muss, sicher die interessanteste Erzieherin. Zumindest würde sie meinen Wortschatz bereichern – die weibliche Vulgärsprache ist mir längst nicht so vertraut wie der Soldatenjargon.«
»Sie hatte eine Empfehlung von Charlotte, Elenas Freundin. Ich hätte vorsichtiger sein sollen«, murmelte der Domherr. »Also gut, keine der drei. Aber eine letzte Chance gib mir noch, Antonia. Mir ist gerade eine junge Dame eingefallen, die sich als deine Gefährtin eignen könnte.«
»Wann soll ich lauschen?«
»Gar nicht, wir werden sie gemeinsam
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