Kreuzfeuer
Graben an. Zu jeder Gefangeneninspektion und zu jedem Schichtwechsel der Wache wurden die Steinplatten wieder an Ort und Stelle gelegt und mit falschem Zement aus gekauten und getrockneten Brotstückchen provisorisch verfugt.
Viola, die nach Egans Tod die Führung der Schülertruppe übernommen hatte, berechnete mittels Trigonometrie und der winzigen Aussicht aus dem hohen, vergitterten Fenster des Verlieses eine Verlaufsroute des Tunnels.
Die frommeren Söldner und diejenigen, die sich gut verstellen konnten, hatten sich für die Studiengruppen mit Mathias’ Lehrmeistern gemeldet.
Dort hörten sie aufmerksam zu, stellten intelligente Fragen und taten so, als kämen sie immer mehr ins Wanken.
Unterwegs zogen sie an losen Fäden, die ihre Uniformhosen knapp über den Stiefeln zu kleinen Taschen aufgerollt hielten, und verteilten so die Erde aus dem Tunnel unauffällig auf dem unbefestigten Gefängnishof.
›Alles verläuft sehr gut‹, dachte Ffillips, als gerade eine Schicht nackter, dreckverschmierter Soldaten aus dem Loch herausgekrochen kam und sofort von der nächsten Schicht abgelöst wurde. Das erste Team wusch sich mit den letzten Resten der aus einem Liter pro Tag bestehenden Wasserration, die ihre Wärter ihnen zum Waschen und Trinken zugestanden.
›Wirklich sehr gut‹, dachte Ffillips. ›Vor uns liegen nur noch etwas mehr als dreihundert Meter felsigen Bodens, durch den wir uns graben müssen, bis wir endlich auf der anderen Seite der Mauer angelangt sind. Sobald wir herauskommen, was wohl am Rande des Felsens sein wird, müssen wir nur noch herausfinden, wie wir die hundert Meter Steilwand hinunterrutschen und uns dann irgendwo in der Stadt verkrümeln. Das alles ist in, sagen wir mal, zehn Jahren locker zu schaffen.
Sten, Sten, wo bleibst du bloß, Colonel?‹ Ffillips zog ihre Uniformjacke aus und rutschte trotz ihrer ziemlich stark entwickelten Klaustrophobie in den Tunnel hinein, kroch an den schwitzenden und pumpenden Luftschachtarbeitern vorbei bis zu seinem Ende und fing zusammen mit ihrer Schicht zu graben an.
Kapitel 60
Das Team saß da und ließ die Köpfe rauchen. Jeder oder jede grübelte über alternative Möglichkeiten zu dem Plan nach, den Sten sich ausgedacht hatte. Die Tiger hatten die Erfolgsaussichten mit ihren eher eindimensionalen Gedanken erörtert, indem sie die Pfoten mit ausgefahrenen Klauen reckten, und sich – nachdem ihr Plan, alles und jeden zu zerreißen, zurückgewiesen worden war – in einer Ecke zusammengerollt und damit begonnen, einander die Gesichter zu lecken.
Ida fasste die Situation zusammen: »Ein Fanatiker.
Ausgerüstet mit Soldaten. Erklärt den Heiligen Krieg.
Nachdem unser schrecklich umsichtiger Imperator alle seine Schandtaten bis in die siebte Generation abgesegnet hat, Amen.
Dann haben wir die Minenschiffe, bereits unterwegs – eine Flotte, die mit Sicherheit von diesen frommen Gefährten überfallen wird.«
»Tolle Zusammenfassung«, brummte Alex zustimmend.
»Eine Lösung.« Doc wagte den Versuch. »Wir warten ab, bis die Söldner vor Gericht stehen, zum Tode verurteilt und zum Richtplatz geführt werden. Euer Mathias wird sich das bestimmt nicht entgehen lassen, und zweifellos wird das Ganze als öffentliche Zeremonie inszeniert. Wenn alles so richtig schön am Rösten ist, oder wie auch immer er deine ehemaligen Untergebenen umzubringen gedenkt, schnappen wir ihn uns.«
»Negativ«, schmetterte ihn Sten ab. »Voraussetzung des Plans ist, so viele Söldner wie möglich zu retten.«
»Weiß Mahoney, dass du derartige Prioritäten setzt?«
»Nein«, sagte Sten. Die anderen Teammitglieder gingen nicht weiter auf dieses Thema ein. Insgeheim stimmten alle bis auf Doc Stens romantischen Anwandlungen zu.
»Einverstanden«, sagte Bet. »Also haben wir nur die Wahl, Mathias auszuschalten, bevor der Heilige Krieg ausbricht.«
»Schön war’s«, sagte Ida skeptisch. »Da wir aber noch nicht einmal wissen, wie wir nach Sanctus gelangen, ganz zu schweigen davon, wie wir uns in die Hauptstadt schleichen sollen – hat denn dein brillanter Geist schon eine blasse Vorstellung davon, wie wir in diese Tempelfestung gelangen, um Mathias auszuschalten – vorausgesetzt, uns gelingt der ganze Rest, oh, mein Commander?«
»Mein brillanter Geist nicht«, sagte Sten, »aber mein kalter Hintern.«
»Was?« entfuhr es Ida.
»Mein kaltes Hinterteil – plus Mahoney, der vor drei Tagen ein Geo-Schiff über Sanctus kreisen ließ, um eine
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