Kreuzfeuer
gestellt hatte, lösen konnte. Während er weiter darüber nachdachte, suchte er sämtliche Kneipen und Trinkhallen ab. Er wusste, dass er Kilgour in einer von ihnen finden würde.
Bevor er ihn sah, hörte er Alex’ Stimme durch die Schwingtür einer Kneipe nach draußen dröhnen. »Der Adjutant sagt also ›Jawoll, Sir‹, und sucht sich den besten Soldaten von den Briten aus, der pflanzt auch gleich sein Bajonett auf …«
»Was zum Henker ist denn ein Bajonett?« fragte eine andere Stimme.
»Brauchste nich’ so genau zu wissen. Halt einfach die Klappe und hör zu. Der tapfere Britensoldat also nix wie den Hügel rauf. Keine Sekunde später rollt sein Kopf holterdiepolter den ganzen Weg wieder zurück.
Und dann brüllt der Riese da oben noch viel lauter: ›Ich bin der Rote Rory vom Tal! Schickt eure beste Truppe herauf!‹ Der Britengeneral, der ist schon ganz lila angelaufen und schreit: ›Adjutant! Ich will den Kopf dieses Mannes! Schicken Sie ihre beste Truppe hinauf!‹ Der Adjutant sagt also: ›Jawoll, Sir!‹, und ab geht die beste Kampftruppe vom Regiment, alle Mann den Hügel hinauf!«
In diesem Augenblick betrat Sten die Bar und fragte sich, ob er jemals das Ende der Sage vom Roten Rory erfahren würde.
Alex erblickte ihn sofort, las in seinem Gesicht und grunzte die beiden Gardisten an, die wie festgenagelt zwischen Tisch und Wand steckten: »Ich erzähl euch den Rest ein andermal, Leute. Macht’s gut und passt auf euch auf!«
Er zog den Tisch von der Wand weg, und die beiden Gardisten stolperten erleichtert davon. Sten ließ sich auf einen leeren Stuhl fallen.
»Rück schon raus, alter Knabe. Ich kann’s ertragen.«
Und Sten, der die Anti-Abhörvorrichtung an seinem Gürtel voll aufgedreht hatte, wiederholte Mahoneys Mitteilung noch einmal für Alex.
»Ich hab mich geirrt«, stöhnte Alex auf. »Ich kann’s überhaupt nich’ ertragen.« Er war sogar zu niedergeschlagen, um noch eine Runde Fusel nachzubestellen.
»Was wird meine Mutter sagen, wenn sie rauskriegt, dass ich in Schimpf und Schande aus der Garde entlassen wurde?«
»Es handelt sich um eine verdeckte Operation, du Spinner, deine Mutter wird niemals etwas davon erfahren.«
»Du kennst meine Mutter nich’«, seufzte Alex. »Und was hast du angestellt, wenn ich schon hochkantig aus der Garde rausfliege?«
»Darf ich vorstellen? Ex-Captain Sten, Drittes Garderegiment, ausgezeichnet, verwundet, mehrfach lobend erwähnt und wegen namenloser Ungeheuerlichkeiten aus der Garde entlassen.«
Alex stöhnte erneut auf und streckte eine Hand aus. Sten hielt die Geste für einen gespielten Gruß, doch es stellte sich heraus, dass Alex lediglich nach Stens Glas griff.
»Ich hab’s ja immer gewusst, ich hätte Zuhause bleiben und den gütigen Laird Kilgour spielen sollen«, seufzte Alex.
Kapitel 9
Wenn man dem Dogma der Kirche Glauben schenkte, hatte Talamein seiner Emigrantenflotte befohlen, auf Sanctus zu landen, weil ihm eine Vision gesagt hatte, dass die Wasserwelt den besonderen Segen des Kosmos genoss.
Tatsächlich hatte Talamein beim erstbesten erdähnlichen Planeten zugegriffen, der sich auf dem Sucher zeigte, da er jeden Augenblick mit einer Meuterei rechnen musste und sein Volk früher oder später in einzelne Cliquen zu zerfallen drohte.
Heute verfügte Sanctus über eine einzige größere Stadt – die Stadt der Gräber- sowie einige Fischerdörfer, einen unbedeutenden Hafen und Hunderte von Marktflecken. Die Bevölkerung teilte sich auf in die Mitglieder der Theokratie, diejenigen, die die Talamein-Pilger ausnahmen, und das Landvolkeinfache Fischer und Bauern.
Und Sten.
Sten rutschte unruhig auf der Steinbank hin und her und massierte die steife Stelle in seinem Nacken. Ein kalter Luftzug prickelte wie Nadeln an seinem Rückgrat. Der Wächter des Propheten bedachte ihn mit einem Blick, der womöglich noch einige Grad kälter war. Sten grinste ihn an, und der Wächter drehte sich weg.
Er saß jetzt schon seit drei Stunden auf dieser Bank, doch Geduld war eine Tugend, die man auf Sanctus sehr bald lernt. Besonders in der Stadt der Gräber mit ihren drögen Priesterbürokraten, bedrückenden Denkmälern für die längst Verstorbenen und den vielen gruseligen, feuchtkalten Ecken.
›Nicht gerade das, was man sich unter einer ruhigen Kugel vorstellt, Mahoney‹, dachte Sten, als er sich vor lauter Langeweile erneut in dem uralten Vorzimmer umsah. Wie alles andere in der Stadt der Gräber, war es aus
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