Kreuzfeuer
Entsetzen.
Mit am verwunderlichsten an Sofia erschien Sten – abgesehen von der Tatsache, dass er es immer noch unglaublich fand, dass eine so junge Frau so viele hervorragende Ideen in die Tat umzusetzen wusste, sobald die Kerzen ausgelöscht waren –, dass ihr ganzer Körper von den Augenbrauen abwärts enthaart war.
So stand sie jetzt nackt und lächelnd auf dem schwarzen vulkanischen Sandstrand und wartete auf Sten. Sie hielt zwei von Hand gefertigte Kunststoff-Bretter von etwa drei Metern Länge neben sich in den Sand gestützt. Die Bretter liefen an einer Seite spitz zu und wurden am ovalen Mittelteil ungefähr einen halben Meter breit; das andere Ende war stumpf und wie abgehackt. Unter dem Schwanzteil eines jeden Brettes war ein Doppelruder in der Form eines orientalisch geschwungenen Dolches angebracht.
Sten, der in einem »Kulturkreis« aufgewachsen war, der mit Wasser am liebsten in einem Glas und vermischt mit einem kräftigen Schuss Synthalk in Berührung kam, hatte so seine Schwierigkeiten mit der Faszination, die die Nebtaner diesen durchsichtigen Wasserfahrzeugen entgegenbrachten.
»Zögerst du noch, mein mutiger Colonel?«
»Allerdings«, murmelte Sten, als er sich von dem exotischen Anblick Sofias losgerissen hatte und auf den Ozean hinausblickte.
Obwohl Nebta normalerweise keinen nennenswerten Gezeitenwechsel besaß, gab es bestimmte Gebiete, in denen sich aufgrund steil abfallender Meeresböden und unterseeischer Riffe recht eindrucksvolle Wellen bildeten.
Dazu gehörte auch dieser Strand – eines von Parrals offensichtlich zahllosen kleinen Verstecken. Eine kurze Strecke landeinwärts, unter den Zweigen tropischer Pflanzen verborgen, befand sich ein kleines Landhaus. Die kleine Bucht mit dem von Wellen verwöhnten Strand war nicht breiter als vier Kilometer. Hier brausten die Wellen unablässig herein und erreichten Höhen von zehn bis zwölf Metern, bevor sie schäumend im Sand vergingen.
Eine dieser Wellen brach sich gerade in etwa dreihundert Metern Entfernung. Die Gischt spritzte hoch auf, die Luft war von einem tiefen Grollen erfüllt, der Boden bebte leicht, und Sten zuckte zusammen.
Sofia hatte ihn zu diesen drei Tagen Urlaub entführt. Trotz Mahoneys Nachricht, dass der Zeitplan enorm zusammengeschrumpft war, hatte sich Sten als sehr leicht zu kidnappen erwiesen. Außerdem hatte sich noch immer nicht entschieden, wo er und seine Söldner als nächstes zuschlagen sollten.
»Das soll Sport sein?« vergewisserte sich Sten noch einmal. »Sieht eher aus wie ritueller Selbstmord.«
Anstelle einer Antwort warf Sofia eins der langen Bretter in den Sand, schnappte sich das andere und warf sich in die letzten Ausläufer der Brandung, die sanft den Strand heraufgerauscht kamen.
›Lieber guter Mahoney, muss ich mich wirklich opfern, indem ich diese landesüblichen Sitten hier mitmache?‹ fragte sich Sten. Er klemmte sich das zweite Brett unter den Arm und lief ein Stück ins Wasser hinein, legte sich bäuchlings auf das Brett und paddelte hinter Sofia auf die hohe Brandung zu.
Sten war trotz Sofias hänselndem Kichern nicht ihrem Beispiel gefolgt und trug eine kurze Badehose. Er hatte sie schließlich halbwegs mit dem Argument überzeugt, dass er kein drittes Ruder brauchte, auch wenn er sich mit dem Brett allzu dumm anstellen würde.
Trotzdem musste er sich eingestehen, als er so hinter Sofia herpaddelte, dass diese Aussicht das Wagnis allemal wert war. Doch plötzlich erfasste ihn die sich überschlagende Gischt, plötzlich befand er sich unter dem Brett, und plötzlich watete er wieder ans Ufer zurück, um sein weggeschwemmtes Brett aufzusammeln.
Von dort aus schaute er wieder aufs Meer hinaus und sah, wie Sofia das Brett mit beiden Händen festhielt und sich einfach darunter wegdrehte, wenn eine Welle über ihr zusammenschlug.
›Lernen kann so viel Spaß machen‹, dachte er, als er sich wieder auf den Weg hinaus in die Brandung machte.
Und irgendwie meinten es die Götter jetzt etwas besser mit ihm, und irgendwie waren die Wellen nachsichtig, und irgendwie schaffte er es schließlich, sich hinter der Brandungslinie nicht weit von Sofia entfernt auf sein Brett zu setzen.
»Oh, meine Prinzessin«, setzte Sten an und spuckte Wasser, das sehr salzig schmeckte, »wie wunderbar ist doch dieser Sport, den Ihr mich soeben gelehrt habt. Ich vermute, jetzt bleiben wir so lange hier draußen sitzen, bis uns die UV-Strahlen verbrannt haben, dann paddeln wir zurück und tun das, was
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