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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Oberdorfer
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Meter entfernt oder mehr. Der Gegenstand war nah genug, um sichtbar zu sein, und doch so weit weg, dass er nur aus der Ferne ins Gesichtsfeld hereinreichte, ohne richtig deutlich zu werden. Der Wald war voller Sonnenflecken, die sich bewegten und mit dem Wind, den Ästen und den Wolken in rhythmischer Verbindung standen. Einer dieser Sonnenflecken musste sich auf den Gegenstand gesetzt haben, denn er blinkte und zog so meinen Blick auf sich. Es war natürlich auch möglich, dass da gar nichts war, denn oft reflektierte irgendetwas im Wald das Sonnenlicht, und wenn man der Sache auf den Grund ging, stieß man zum Beispiel auf ausgelaufenes Baumharz. Aber gerade weil bei so einem Blinken viel Ungewissheit im Spiel war, ließ ich mich von meinem Weg abbringen und stapfte durchs hohe Gras auf diesen eigenartigen, silbrigen Lichtreiz zu. Irgendetwas stimmte nicht. Waren es meine Schritte, die da so raschelten, oder die eines anderen? Ich blieb stehen und drehte mich um, überall standen Bäume, die sich unwägbar gegeneinander und ineinander verschoben, je nachdem, wie und wohin die Luft sie drückte. Ich sah niemanden, obwohl ich das Gefühl hatte, dass da jemand war. Hatten auch die Tiere im Wald Angst? War Angst nur eine spiegelblanke Form von Wahrnehmung in einer gefährlichen Lage? Herrschte denn Gefahr? Es ist nichts, sagte ich mir und atmete tief durch, es kann nichts sein.
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    Die Waldluft beruhigte. Jetzt segelte eine riesige Wolke an der Sonne vorbei und machte den Wald dunkler. Das Blinken verschwand, aber der Gegenstand - blieb. Was konnte es sein? Eine Waffe aus dem letzten Weltkrieg oder ein Bombensplitter? Blitzschnell drehte ich mich um, denn mir war, als hätte mir jemand in den Rücken gestarrt.
    »Heee!!!«, rief ich, es hätte drohend klingen sollen. Wenn mich tatsächlich jemand verfolgte, musste ich ihn durch die Offensichtlichkeit meiner Angst geradezu zum Angriff ermutigen. Ich war ein leichtes Opfer und - ich konnte es nicht glauben - unbewaffnet! Ich klopfte alle Hosentaschen ab, als hätte ich mich gerade in einen Ameisenhaufen gesetzt, der Revolver war im Auto und das Auto war weiß Gott wo. Es war nicht mehr weit zu dem Ding. Ich stieg über ein Dickicht aus abgestorbenen Ästen, die irgendein Tier hier angehäuft hatte. Es roch nach dem Kot eines Pflanzenfressers. Gut möglich, dass ein Hirsch zeitweise hier gelagert hatte. Das beruhigte mich, möglicherweise war das Tier, das hier lebte, in der Nähe, denn irgendetwas war gegenwärtig, das spürte ich. Und jetzt sah ich endlich vor mir, weshalb ich den Weg in den Wald gemacht hatte. Es war ein einfacher Proviantbehälter, wie man ihn auf Wanderungen mitnahm oder wenn man in den Wald ging, um zu arbeiten. Das Ding war aus Aluminium, ich nahm den Deckel ab. In der Dose lagen zwei Wurstsemmeln, die schon ein bisschen angegriffen rochen, aber noch nicht von Schimmel befallen waren. Automatisch, ohne nachzudenken, ergriff ich eine der Semmeln, die in dem luftdichten Raum ganz schwammig und weich geworden waren, und hätte sie zweifellos sofort gegessen, wennnicht ein Namenszug sichtbar geworden wäre, der auf dem Boden des Behälters in das Aluminium hineingeritzt war: »Kreuziger.«
    Es dauerte ein wenig, bis sich die Tatsachen in meinem Kopf ordneten. Wie Eisenspäne auf einem Blatt Papier, wenn man mit dem Magneten in ihre Nähe kommt, sich auf einen Schlag formieren und ein Muster ergeben, so hatte ich plötzlich eine Version im Kopf, wie es gewesen sein könnte. Anna war in den Wald gekommen, um ihren Mann mit Wurstsemmeln zu versorgen. Bei dieser Gelegenheit erschlug sie ihn, und nachher erschien ihr der Proviant als ein Beweis ihrer Anwesenheit am Tatort, sodass sie ihn vom Tatort entfernte und irgendwo im Wald wegschmiss. Ich legte die Wurstsemmel zurück, verschloss den Behälter und nahm ihn an mich. Der Abstecher schien sich gelohnt zu haben. Je gewichtiger der Verdacht wurde, der auf Anna lastete, desto dringender wollte ich sie sehen. Ich machte mich auf den Rückweg. Aber schon nach ein paar Schritten wurde der angstfreie Fluss meiner Bewegungen jäh unterbrochen. Zum zweiten Mal über das Dickicht kletternd, brach ich ein und steckte mit einem Bein fest. Es erleichterte mich geradezu, dass ich nicht verrückt war und nicht unter Verfolgungswahn litt, sondern dass ich die ganze Zeit über tatsächlich verfolgt worden war, wie sich jetzt herausstellte; und zwar von jemandem, der meinen Sturz nutzte, um zum Angriff überzugehen. Man

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