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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Ärmster!«, säuselte Heike Bernhardi.
    »Mein Beileid«, hauchte Ortrud Walter.
    Seifferheld nickte gequält. »Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.«
    Er band Onis neben der Tür an und verschwand auf der Herrentoilette.
    Endlich allein.
    Seifferheld stellte sich vor das Urinal und nestelte an seinem Gürtel.
    Da ging die Tür auf und eine Frau trat ein.
    »Ich muss doch sehr …« Seifferheld wollte sich gerade echauffieren, als er sah, dass es keine der beiden brünstigen Alten war, sondern eine der Blumen der Nacht. Die in dem blutroten Kleid.
    »Bitte entschuldigen«, sagte sie mit mädchenhafter Stimme. Sie strich sich die langen, pechschwarzen Haare aus dem Gesicht.
    Seifferheld merkte, dass er die Hand noch am Hosenschlitz hatte, und wurde rot.
    »Sie Polizei, ja?«
    Seifferheld nickte und ratschte den Reißverschluss zu.
    »Ich nur wollen sagen, dass Rudi kurz vor seinem Tod nicht mehr gekommen.«
    Seifferheld überlegte kurz, ob sie das sexuell oder terminlich meinte.
    »Er mir sagen: Ich gefunden Frau. Sie toll.«
    Bingo. Ein Hinweis!
    »Aber zwei Wochen später, er wieder anrufen und sagen, ich dich brauchen, meine Blume. So, ich denken, vielleicht eifersüchtiger Ehemann ihn bringen um? Rudi soooo sportlich, er nie und nimmer sein gegangen tot an schwaches Herz.«
    Sie bohrte ihren rechten Zeigefinger mit dem überlangen, blutrot lackierten Nagel in Seifferhelds Brust.
    »Du finden Mörder!«
    Aus dem Polizeibericht
    SAUEREI OHNE SAU
    Beim Maisernten auf einem Feld des Vororts Tüngental besudelte ein Landwirt am späten Montagnachmittag mit seinem Traktor die Fahrbahn derart gekonnt, dass sie spiegelglatt wurde. Der Kehrmaschine der Straßenmeisterei gelang es nicht, die Straße zwischen Tüngental und Schwäbisch Hall zu säubern, daher musste die Freiwillige Feuerwehr Tüngental mit Spezialgerät ausrücken. Bis 20 Uhr war die Straße komplett gesperrt, wodurch es zu massiven Verzögerungen im Feierabendverkehr kam. Pro Stau steher gab es einen Maiskolben gratis.
Ende Legende
    Seifferheld meinte, die Haller Polizeichefin an ihrem Frühstückstisch in der Kreuzäckersiedlung aufschreien zu hören. Sein Handy, das er auf stumm gestellt hatte, blinkte wie verrückt. Er brauchte keine altgediente Schnüfflernase, um zu wissen, wer ihn da so hektisch zu erreichen und zur Minna zu machen suchte.
    Ein neuer Tag war angebrochen. Drüben an der Arbeitstheke in der seifferheldschen Gemeinschaftsküche rührte Irmgard Rührei an, Susanne mixte Gemüsesaft – dieses Mal in einem eitrigen Gelbton – und Karina schnitzelte Äpfel in das Veganermüsli.
    Seifferheld seufzte.
    Das war also nun sein Leben. So würde es weitergehen, bis er irgendwann – bei seinem Glück mit über hundert – wegen Altersschwäche den Löffel abgab. Noch vierzig Jahre Ödnis und Langeweile und Essen, das er nicht mochte.
    Seifferheld seufzte erneut.
    Auch Onis seufzte unter dem Küchentisch, aber angesichts seiner zuckenden Gliedmaßen wohl eher, weil er im Traum über die Wiesen im Stadtpark tollte.
    Seifferheld hatte Pfarrer Hölderlein angerufen, der ihm anvertraute, wer für die Beerdigung aufgekommen war: mitnichten die versammelten Haller Profi-Prostituierten, sondern eine alte Tante des Verblichenen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht hatte anreisen können.
    Pfarrer Hölderlein war zufällig auch ein Skatbruder des Arztes, der den Totenschein für Plönzke ausgestellt hatte. Herzinfarkt, gar nicht dran zu deuteln. Der Mannhatte ungesund gelebt, viel getrunken, sein ganzes Geld im einzigen offiziellen Haller Puff gelassen und dort offenbar tonnenweise erregungssteigernde Mittelchen eingeworfen. Plönzke war nicht ins Visier eines im Affekt mordenden Ehemannes geraten und war auch nicht das Opfer eines hemmungslosen Massenmörders.
    Seifferheld musste es sich eingestehen: Mit ihm waren die Gäule durchgegangen.
    Und warum war es so weit mit ihm gekommen? Ganz einfach: Das Leben hatte ihm die rote Karte gezeigt, er war aussortiert worden, durfte nicht auf der Ersatzbank Platz nehmen, sondern war in die Umkleide geschickt worden. Aus und vorbei. Er hatte noch ein letztes Mal etwas Spannung in sein Dasein hineininterpretieren wollen und hatte großräumig danebengelegen. Was mussten sich seine Ex-Kollegen über ihn amüsieren.
    Seifferheld seufzte erneut.
    Das ist von nun an mein Leben. Ereignislos, höhepunktlos, harmlos.
    Der Kick meines Alters wird die Frage sein, wie lange ich mein Stick-Hobby vor Irmi und dem Rest

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