Kreuzstich Bienenstich Herzstich
froschgrünen Pluderhose glatt und verließ das Büro.
»Wirkt sehr effizient«, meinte Seifferheld. »Und bunt.«
»Die macht mich fertig«, erklärte Biggi und schnaufte.
Biggi war der Großmuttertyp, ohne jedoch Enkel zu haben. »Früher waren die jungen Leute arbeitsscheu und undiszipliniert. Die Denner ist noch kein halbes Jahr hier und schon beherrscht sie die Büroabläufe besser als ich, kommt vor mir, geht nach mir und man muss ihr alles nur ein einziges Mal erklären.« Biggi saugte deprimiert Buttermilch mit einem Strohhalm auf. »Schlimm genug, dass ich gehen muss. Aber zu wissen, dass meine Nachfolgerin besser ist als ich … Siggi, das tut weh, ich sag’s dir!«
»Keine ist besser als du«, erklärte Seifferheld mit inbrünstiger Überzeugung.
Biggi strahlte. Wenn es auch nicht wahr war, so war es doch charmant gelogen. »Ich liebe übrigens deine Polizeiberichte. Jeden Morgen kommt die Chefin ins Büro gestürmt und donnert ›Dieser Seifferheld, wegen dem krieg ich noch graue Haare.‹ Machst du das absichtlich? ›Latte trifft Lette‹ … köstlich!«
Seifferheld winkte bescheiden ab. »Wie geht’s Beate?«
Beate war die Lebensgefährtin von Biggi.
»Ist letzten Monat in den Ruhestand verabschiedet worden. Riesenfeier, Ansprachen, Blumen – das ganze Tamtam. Ehrlich, das will ich alles auch!« Das Saugen wurde geräuschintensiver. »Beate fotografiert jetzt wie blöd. Ist ihr neues Hobby. Wenn ich dann auch in Rente bin, touren wir einmal rund um den Globus und sie will daraus eine Diashow machen, um sie an ihrer alten Schule aufzuführen.« Biggi klang nicht begeistert. »Mal sehen, was für ein Hobby ich mir suche, wenn es so weit ist. Irgendeine Handarbeit? Wie wär’s mit Sticken?«
Siggi verschluckte sich an seinem Kaffee.
Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu, aber sie starrte nur intensiv auf den Boden des mittlerweile leeren Buttermilchglases, als ob dort die Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu finden seien.
»Du, Biggi«, lenkte Seifferheld rasch ab. »Frau Denner hatte gar nicht so unrecht.«
»Womit?«
»Ich will dir Arbeitsgeheimnisse entlocken.«
Biggi sah ihn vorwurfsvoll an.
»Ganz harmlos, ehrlich«, versprach Seifferheld. »Es geht um die verschwundenen Männer, die später tot aufgefunden wurden. Gibt es darüber Akten?»
Biggi hob ihr – von einer Parisreise mitgebrachtes – Lorgnon vor die blassblauen Augen. Der Frau konnte man einfach nichts vormachen. »Hier bei Mord zwo gab es lange keine Akten. Aber als die Rettenberg die Lebensversicherungssumme ihres verschwundenen Mannes einstreichen wollte, witterte die Chefin Unrat.«
Seifferheld nickte, in den Augen das Leuchten eines Trüffelhundes, der im Schatten einer Eiche die Witterungeines besonders großen hypogäischen Knollenpilzes aufgenommen hatte.
»Tja, die Rettenberg-Ermittlung läuft noch. Der einzige andere Fall, wo ein Verschwundener offiziell bei uns landete, war jetzt der Tote im Kocher. Aber im Moment befinden sich rein zufällig die Akten aller Verschwundenen in diesem Büro, weil die Chefin die Unterlagen von den ermittelnden Kollegen ausgeliehen hat.«
So, so, die Chefin hat also denselben Riecher wie ich, dachte Seifferheld. All seine Selbstzweifel waren durch den Toten im Fluss verschwunden.
Es gab doch einen Serienmörder in Schwäbisch Hall!
Seifferheld strahlte Biggi aus großen Augen an. »Kannst du mir Akteneinsicht verschaffen?«
Biggi lächelte herzlich. »Aber natürlich, Siggi. Ich habe ja auch damals das Beweismaterial verschwinden lassen, das deinen Vetter bei der Brandstifterserie belastete. Und dem Sohn vom Vorgänger der Chefin habe ich zur Flucht verholfen, damit er in die Südsee entfliehen konnte, nachdem er seine schwangere Freundin erschlagen hatte.«
Seifferheld schaute verständnislos.
Biggi stand auf und schüttelte den Kopf. »Siggi, Siggi, Siggi …«
Sie ging in die Knie, hob die Ohren von Onis in die Höhe und flüsterte in die leicht schlierige Gehörmuschel: »Dein Herrchen zweifelt den hohen Standard meiner Moral an. Akteneinsicht gewähren. Ts, ts, ts … Was sagst du dazu?«
Sie richtete sich wieder auf. »Buttermilch hat auf mich immer eine enorm verdauungsfördernde Wirkung. Ich bin dann mal ein paar Minuten für Königstigerinnen.«
Sie verließ das Büro.
Seifferheld hörte, wie sie den Schlüssel, den sie an einem Karabinerhaken am Gürtel zu tragen pflegte, ins Schloss steckte und umdrehte.
Er lächelte.
Das Lächeln verging
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