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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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in der Busmitte vollgekotzt hatte, weswegen er und sein Herrchen die Reststrecke zu Fuß hatten gehen müssen. Jetzt saß Onis angebunden an der Säule vor dem Eingang. Und Seifferheld in der letzten Reihe.
    »Guten Tag«, sagte die ondulierte Anfangsiebzigerin, die sich bei seinem Eintreten aus der vierten Reihe zu ihm umgedreht hatte und dann aufgestanden war, um sich neben ihm niederzulassen.
    Seifferheld nickte ihr zu.
    »Ortrud Walter«, stellte sich die Ondulierte vor und reichte ihm ein fotokopiertes Blatt, auf dem der Text zu
Befiehl du deine Wege
stand.
    »Seifferheld. Siegfried Seifferheld«, sagte Seifferheld und kam sich vor wie Bond, James Bond.
    »Weiß ich doch«, kicherte die Frau. Sie trug ein fesches schwarzes Käppi mit einer Feder. Beim Kichern wippte die Feder fröhlich. Einen Tick zu fröhlich für eine Trauerfeier.
    »Sie sind Witwer«, konstatierte die Ondulierte, und die Feder hüpfte erneut.
    Seifferheld hatte das dumpfe Gefühl, in eine Falle geraten zu sein. Wenn er jetzt mit »Ja« antwortete, gäbe es kein Entkommen mehr, das spürte er deutlich.
    »Darf ich?«
    Eine zierliche Frau von schwer schätzbarem Alter in einem anthrazitgrauen Hosenanzug quetschte sich an Seifferheld und der Wippfeder vorbei.
    »Hallo, Heike.«
    »Hallo, Ortrud.«
    Die Temperatur in der hintersten Stuhlreihe sank merklich. Um mindestens zehn Grad.
    »Also«, fing Seifferheld – plötzlich fröstelnd – an, »ich bin gar kein Angehöriger. Vielleicht möchten Sie lieber weiter vorn …«
    »Wir sind auch nicht verwandt«, warf der Hosenanzug ein. »Darf ich mich vorstellen? Heike Bernhardi.«
    Bernhardi, da klingelte etwas in Seifferheld. Ach ja, das große Bekleidungsgeschäft in der Neuen Straße.
    »Angenehm. Siegfried Seifferheld«, sagte er.
    Frau Bernhardi lächelte warm. »Aber das weiß ich doch.«
    Seifferheld staunte. Stand ihm sein Name auf der Stirn geschrieben? Oder waren gar Fahndungsfotos von ihm an alle alleinstehenden Frauen der Stadt verteilt worden?
    »Wir kommen gern zu Beerdigungen. Das hat so etwas Erhebendes«, erläuterte Frau Bernhardi ungefragt. Sie öffnete ihre Handtasche – echt Kroko – und zog einen Lippenstift heraus. Seifferheld fiel wieder ein, dass der Seniorchef des Bekleidungsgeschäfts vor einigen Jahren gestorben war und seine Witwe ohne finanzielle Sorgen zurückgelassen hatte.
    Die Aussegnungshalle füllte sich, aber nur spärlich. Ein Orgelspieler, der Pfarrer und eine Handvoll Menschen in Schwarz.
    Auch Seifferheld trug Schwarz. Nicht passgerechter Anzug von der C&A-Stange. Ein unsägliches Teil, das ihn wie einen Konfirmanden aussehen ließ und definitiv zu eng saß.
    Seifferheld schwitzte.
    Was aber vornehmlich daran lag, dass sich eine altersfleckige Frauenhand in seinen Oberschenkel krallte.
    »Und was machen Sie hier, Herr Kommissar? Ermitteln Sie undercover?« Ortrud Walter beugte sich so nah an sein Gesicht, dass er ihren Atem riechen konnte. Pfefferminz. Mit einem Hauch Maultaschen. Es war kurz vor zwei. Wahrscheinlich kam sie gerade vom Mittagessen.
    Seifferheld schüttelte nur den Kopf.
    Heike Bernhardi wollte sich nicht abdrängen lassen. Junggesellen im passenden Alter waren rar in der Stadt. Die Kunde von Seifferhelds Witwertum hatte längst dieRunde gemacht, aber der Mann tauchte in der Öffentlichkeit so gut wie nie auf. Man musste die Chance ergreifen, wenn sie sich bot. Auch ihre Hand nahm folglich in Schrittnähe Kontakt zu dem Polyesterstoff über seinem Oberschenkel auf.
    »Es wird Ihnen gefallen, Herr Kommissar. Pfarrer Hölderlein ist einfach begnadet gut. Mir wird bei seinen Predigten immer ganz warm ums Herz. Ein Lyriker des Herrn. Man müsste mitschreiben.«
    Ortrud nickte. »Wir kommen fast jeden Tag.«
    »Und es ist immer wieder sehr unterhaltsam«, ergänzte Heike.
    Sie lächelte Seifferheld zu und legte mit der linken Hand blutroten Lippenstift im Blindflug auf, während ihre Rechte wellenartig seinen Oberschenkel drückte.
    Ein Schweißtropfen kullerte in Seifferhelds Hemdausschnitt.
    Am liebsten wäre er aufgesprungen und aus der Halle gerannt, aber seine Gehhilfe lehnte neben dem Eingang und jetzt fing der Orgelspieler auch noch an zu orgeln.
    Pfarrer Hölderlein erhob sich. Gott sei Dank ließen daraufhin die beiden Frauenhände von ihm ab. Bestimmt war er jetzt über und über mit blauen Flecken übersät. Wie sollte er das seinem Physiotherapeuten Olaf erklären?
    »Liebe Gemeinde«, begrüßte Pfarrer Hölderlein die spärliche

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