Kreuzzüge
heftig den Kopf – eine sehr menschlich wirkende Geste. »Nein, so ist das nicht. Das geht schon seit ewigen Zeiten so. Die Greifer konnten uns immer nur als Lasttiere gebrauchen.«
Sie liefen eine ganze Weile schweigend weiter, ein jeder in seinen Gedanken versunken.
Als sie zu der Straße kamen, in der Clio wohnte, hatte sie plötzlich eine Idee. »Lasst uns erst mal was zu essen besorgen, danach setzen wir gleich unsere Nachforschungen fort. Ich will endlich wissen, was hinter dieser Sache steckt. Bevor ich nicht Klarheit darüber habe, kann ich sowieso nicht in Ruhe arbeiten. Jetzt, wo es so aussieht, als würden die Xhu'gha an allem Schuld sein, sollten wir ihnen mal in Sankt Thkhri'jah einen Besuch abstatten!«
»Das ist wahrscheinlich das Beste, was wir im Moment tun können«, meinte Andy. »Aber ich will mal sehen, ob ich Phreg finden kann. Er wohnt nur eine Straße weiter und ehe ich die ganze Strecke bis in die Berge hinauflaufe, frage ich ihn lieber, ob er mich hinbringt. Ihr beiden wartet hier.« Er verschwand zwischen den Gebäuden.
»Nun«, sagte Kuf, »da oben bei Sankt Thkhri'jah gibt es reiche Fossilienvorkommen. Dann kannst du unseren Ausflug gleich mit deinen Forschungen verbinden.«
Clio hatte gar nicht richtig zugehört, nickte ihm aber trotzdem zu. Eigentlich wollte sie im Moment gar nicht an ihre Arbeit denken. Sie freute sich nur auf den Flug mit dem Greif.
Kapitel 6
Als Bipih unter ihnen auftauchte, lebte Clio richtig auf. Aus der Luft betrachtet sehen viele Dinge einfach besser aus, dachte sie. Bipih war lange vor Hmi'dro die Hauptstadt des Königreiches gewesen. Doch hatte sich das Nest von einer verschlafenen Zwischenstation, wo sich die Soldaten vor ihrer Reise nach Norden ins Land der Banditen mit allem Notwendigen versorgten, in ein blühendes Städtchen verwandelt. Die alten Narben, die frühere Städtebauer hinterlassen hatten, waren mittlerweile verheilt. Heute wurde alles großzügiger angelegt, und es gab auch weitläufige Grünflächen. Das neue Universitätsgebäude wirkte zwar kühl und elegant, aber die graubraune Steinfassade sorgte dafür, dass es sich gut in die Landschaft einpasste.
Sie flogen noch einen großen Bogen, um sich besser orientieren zu können. Bipih lag oberhalb der Kreethschlucht in einem Gebirgsausläufer, der Floyd, den kleinsten von Randalls acht Kontinenten, in zwei Hälften teilte. Auf der anderen Seite der Schlucht lagen die Einsamen Gipfel – drei riesige Vulkankegel, die wie gewaltige Finger in den Himmel hinaufragten. Sankt Thkhri'jah befand sich auf der anderen Seite dieser Berge, dort, wo der Kreeth zu einem reißenden Wasserfall wurde. Während des Frühsommers in der südlichen Hemisphäre lag Phmi'phtar bis zur nächsten Flut ungefähr dreißig Kilometer weiter im Norden. Danach würde man den Sitz der Hochkrone wieder zweihundert Kilometer weiter nach Süden verlagern, bis das Wetter dort wieder zu schlecht wurde, und erneut der Zug nach Norden begann.
Während des ersten Jahres nach Abflug des Gates hatte Hauskyld der Hochkrone als Finanzminister gedient und versucht, die wirtschaftliche Situation auf Randall zu stabilisieren. So bestand eigentlich keine Notwendigkeit, ein stehendes Heer zu unterhalten. Die randallanische Wirtschaft kannte keine Schulden, und selbst der Krieg, der viel mehr gekostet hatte als jede andere Unternehmung, war vollständig über Spenden finanziert worden. Es waren keine Geldmittel geflossen, denn niemand würde sich die Schande leisten, von der Hochkrone Geld anzunehmen – Hauskyld konnte also keine Schulden eintreiben, weil einfach keine gemacht worden waren.
Als sein Sanierungsversuch scheiterte, ersann er noch viele andere Konzepte zur Geldbeschaffung, bis er schließlich eingestehen musste, dass man es am besten bei der alten, traditionellen Art beließ. Die Gründe dafür waren eigentlich für jeden offenkundig: Jede Ökonomie beruht auf Erfahrungen, die über lange Zeit gesammelt worden sind. In diesem Fall wurde sie durch äußere Gegebenheiten bestimmt, wie etwa die Nord/Süd-Wanderungen mit den Jahreszeiten und die Flugrouten, die über die Meerengen führten. Hauskyld hatte schließlich aufgegeben und sich anderen Betätigungsfeldern wie der Universitätsverwaltung und dem öffentlichen Dienst zugewandt.
Als Clios Greif auf den warmen Aufwinden über die Berggipfel glitt, überlegte sie, ob die vielen Veränderungen in den letzten Jahren überhaupt notwendig gewesen waren. Die
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