Kreuzzug
lassen wir die Kirche mal im Dorf.«
Minister von Brunnstein legte seinen lehrerhaften Ton ab und schob das Kinn voll Tatendrang vor. »Nein, warten, das ist nicht Brunnsteinsche Art. Ich fliege rüber nach Mittenwald zu meinen Gebirgsjägern. Lassen Sie die Cougar starten, Oberst Schultheiß. Meine Frau und ich und unser ganzes Team hier stehen in einer halben Stunde abmarschbereit vor dem Hotel. Ob Kitzbühel oder Garmisch – da hängen wir halt noch ein paar Tage auf eigenen Bergen dran.«
Die Männer im Comm-Room warfen einander verstohlene Blicke zu. Sie hatten sich schon lange daran gewöhnt, dass der Verteidigungsminister einen Hubschrauber bestellte wie andere Leute ein Taxi. Das störte sie längst nicht mehr. Was störte, war, dass sie innerhalb einer halben Stunde das Equipment in diesem Raum abbauen und verpacken mussten. Ihre eigenen Sachen in den Zimmern rechts und links der Ministersuite und des Comm-Rooms würden sie wieder einmal liegen und stehen lassen müssen; man würde sie ihnen nachschicken.
Der Minister warf einen Blick auf seine Worldtimer. »Abmarsch um vierzehn zwanzig Alfa-Zeit. Alles klar?«
»Zu Befehl«, schallte es synchron über den Videokanal aus Berlin und aus der Runde der Männer im Comm-Room.
Kapitel neunzehn
Im Zugspitztunnel , 14 Uhr 03
L uigi Pedrosa war mit seinem Zug zweihundert Meter vor dem unteren Felssturz im Tunnel angekommen. Bis dorthin war Strom in der Oberleitung gewesen, aber danach musste die Ausrüstung getragen werden. Der Bagger konnte zwar dieselgetrieben in den Tunnel einfahren, aber seine Abgase würden den Männern die Arbeit noch schwerer machen.
Schließlich standen knapp zwanzig Mann von der Bayerischen Zugspitzbahn vor dem riesigen Felshaufen. Der Staub hatte sich mittlerweile, eine knappe Stunde nach dem Unglück, gelegt. Sie versuchten, die Kamerasonde durch die Felsen zu schieben. Die Hochleistungskamera am vorderen Ende des langen Gummischlauchs war mit einem Ring von LED -Leuchten umgeben. Der Schlauch enthielt das Kamerakabel und die Stromversorgung und zudem vier dünne Stahlzüge, mittels deren die Sonde vom Steuergerät am hinteren Ende des Schlauchs mit einem Joystick bewegt werden konnte. Dort befand sich auch der Monitor, der Bilder der grauen Kalksteinbrocken lieferte, durch die sich die Sonde schlängelte.
Die Männer versuchten zum fünften Mal an einer anderen Stelle einen Weg durch den Trümmerhaufen zu finden. Die vier Male zuvor war nach ein paar Metern kein Durchkommen mehr gewesen, weil die Felsen zu dicht aufeinanderlagen. Nun aber sah es so aus, als hätten sie Glück. Bereits zehn Meter Schlauch waren zwischen die Felsen vorgedrungen. Die Kamera zeigte zunächst nach wie vor nur grauen Stein, doch nachdem sie per Joystick um einen weiteren Block herummanövriert worden war, meinte Luigi Pedrosa, er habe für einen kurzen Moment einen größeren Raum auf dem Monitor gesehen. Auf einmal wurde die Kamera von einem grellen weißen Licht geblendet. Es dauerte nur Sekundenbruchteile, dann schrumpfte das Bild schlagartig zusammen, und der Monitor war schwarz.
Die Männer überprüften zunächst die Stromversorgung der LEDs. Das Steuergerät zeigte deren volle Funktion an. Die Kamera musste ausgefallen sein. Sie beschlossen, die ganze computergesteuerte Apparatur neu zu starten. Als der Monitor aber auch danach dunkel blieb, mussten sie wohl oder übel die Sonde, die sich einen so schönen Weg gebahnt hatte, aus dem Schutthaufen ziehen. Einer der Männer rollte die elektrische Kabeltrommel Meter um Meter vorsichtig auf, um das Gerät und den Schlauch nicht an den scharfen Kanten der Felsbrocken zu beschädigen.
Nach wenigen Minuten hielt Luigi Pedrosa das vordere Ende der Sonde in der Hand. Der Kamerakopf fehlte. Sie hatten ihn wohl doch beim Herausziehen abgerissen. Aber als Pedrosa das Ende des Schlauches im Schein seiner Stirnlampe genauer betrachtete, erschrak er.
Das Auge der Sonde war mit einem sauberen Schnitt abgetrennt worden.
Kapitel einundzwanzig
Im Zugspitztunnel , 14 Uhr 17
V ollkommen ausgeschlossen, Franz. Nicht abgerissen. Die Kamera wurde abgeschnitten. Wenn ich’s dir sage.«
Luigi Pedrosa sprach ins Funkgerät und versuchte verzweifelt, seinen Chef zu überzeugen, dass er weder eine Schraube locker hatte noch sturzbetrunken war.
»Du kannst hier jeden fragen, Franz. Werden alle bestätigen.«
»Dann ist dort drinnen jemand am Leben. Das ist doch schon mal eine gute Nachricht. Aber warum
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