Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
Vom Netzwerk:
gefiel, war dieses ältere Ehepaar, beide Mitte fünfzig. Der Mann mit der perfekt geschminkten und hellblond gefärbten Frau, die ihm zwei Bänke weiter vorn auf der anderen Waggonseite gegenübersaßen. Er trug einen militärisch anmutenden Bürstenhaarschnitt und sah unter seinem Anorak, den er offen trug, einigermaßen trainiert aus. Ganz sicher Amerikaner. Touristen aus dem Edelweiss-Resort, das die US -Streitkräfte in Garmisch unterhielten. Ein Ex-Soldat oder vielleicht ein höheres Tier. Vielleicht auch einer aus dem George Marshall Institute oder der NATO -Schule in Oberammergau.
    Thien musterte die Kleidung der beiden. Das, was er zwischen den Sitzreihen hindurch erkannte, bestärkte seinen Eindruck. Land’s End, Schuhe von Merell und Jacken von Columbia. Der Mann hatte hellwache Augen, saß kerzengerade da, nicht zusammengesunken wie die meisten der Passagiere. Seine Frau hielt seine Hand. Dazwischen blitzte etwas. Thien sah genau hin. Ein Kreuz. Sie gaben sich gegenseitig Stärke, und das war eine gute Voraussetzung.
    Thien konzentrierte sich auf die beiden, versuchte mit ihnen Augenkontakt aufzunehmen, mal bei der Frau, mal bei dem Mann. Irgendwann müssten sie sein Interesse bemerken, dann galt es eine lautlose Kommunikation aufzubauen. Aus den Augenwinkeln überprüfte er ständig, ob nicht einer ihrer Bewacher auf sein Starren aufmerksam wurde.
    Er war fest entschlossen, sich nicht kampflos aufzugeben. Er hatte so viel überlebt. Er würde auch hier herauskommen. Lebend. Das schwor er sich.

Kapitel dreiundzwanzig
    Eibsee-Hotel , 14  Uhr 25
    E s war aller Wahrscheinlichkeit nach ein Anschlag, Teddy. Du solltest deinen Urlaub abbrechen. Übrigens: Laut ist es bei dir.« Ministerpräsident Lackner wusste, dass die nächsten Stunden und Tage nicht gemütlich werden würden. Philipp von Brunnstein aus seinem geliebten Abspeckurlaub zu holen war für ihn jedoch eine kleine Entschädigung für die ansonsten schreckliche Situation. Er stellte sich vor, wie der junge Kollege im winterlichen Berlin der Kanzlerin Rapport erstattete.
    »Laut ist es deshalb, weil es unsere Finanzlage nicht zulässt, moderne Hubschrauber zu kaufen. Die Mühle hier ist zwanzig Jahre alt. Aber wem sage ich das, du hast dich heute ja schon meiner Luftlandeeinheit bedient.« Philipp von Brunnstein warf einen Blick durch das kleine ovale Fenster des Hubschraubers und lächelte zufrieden. Es war ein großartiges Panorama, das sich ihm aus dreitausend Meter Flughöhe bot.
    Hans-Peter Lackner hatte ihn mit seinem Spitznamen »Teddy« angesprochen, was eigentlich nur engste Freunde und adlige Vettern durften. Also war es nötig gewesen, ihn darauf hinzuweisen, dass sein ehemaliger Schützling Philipp von Brunnstein mittlerweile an Hebeln saß, die auch das Leben eines Bayerischen Ministerpräsidenten mitbestimmen konnten.
    »Ah, du bist schon unterwegs?« Lackner überhörte von Brunnsteins Forderung nach moderneren Hubschraubern und tat überrascht.
    »Allerdings, mein Lieber. Hast du gedacht, dass ich meine Truppe und mein Volk im Stich lasse?« Gemeint hatte von Brunnstein: Glaubst du, dass ich dir die ganze Show überlasse?
    »Das ist großartig, Teddy, ganz großartig. So können wir den Menschen in diesem unseren Lande zeigen, dass wir in Krisensituationen zusammenstehen wie ein Mann.«
    »Ja ja, HP , schon in Ordnung. So, und jetzt mach es bitte nicht so spannend. Du hast eben das hässliche Wort ›Anschlag‹ im Mund geführt.«
    Hans-Peter Lackner wurde daraufhin amtlich und schilderte dem Verteidigungsminister kurz die Erkenntnisse, die er vor wenigen Minuten gewonnen hatte.
    Philipp von Brunnstein hörte sich den Bericht an und warf seiner Frau, die neben ihm saß, einen Blick zu. Sie hörte das Gespräch über den Intercom-Kopfhörer der Maschine mit.
    Der Minister machte ein besorgtes Gesicht.
    »Mir fehlen die Worte, HP . Und du bist sicher?«
    »Sicher bin ich natürlich nicht. Aber ich werde die Lage nicht sehr viel länger vor der Öffentlichkeit vertuschen können. Mein Krisenstab –
unser
Krisenstab, natürlich – weiß ja Bescheid. Ich habe eine Informationssperre erlassen, aber die hält sicher nicht ewig. Wann bist du hier?«
    »In fünfzehn Minuten.«
    »Gut. Ich berufe eine Pressekonferenz für fünfzehn Uhr ein und warte, bis du gelandet bist. Sollte in der Zwischenzeit etwas passieren, erfährst du es zuerst. Over.«
    »Verstanden. Over«
    Beide Männer hatten im Hinblick auf die Katastrophe, von der sie

Weitere Kostenlose Bücher