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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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kannte? Alte Versorgungstunnel, durch die man kriechen konnte? Oder waren sie vom Gipfel gekommen, auf dem Weg, den er auch genommen hatte?
    Der Mann im weißen Schneeanzug verharrte am anderen Ende des Flurs, als das Geräusch einer klemmenden Tür, die geöffnet wurde, von oben kam. Er drückte sich an eine ehemals weiß getünchte Wand, die von dem Feuer, das hier vor Jahrzehnten gewütet und das Hotel zerstört hatte, mit einer dunkelgrauen Schicht überzogen worden war. Auf seinem Monitor, der auf dem Tisch neben ihm stand, konnte McFarland die Umrisse des weißen Mannes gut erkennen. Dann hörte er von oben, direkt über sich, wieder Schritte. Der andere würde das Treppenhaus nach unten nehmen, das sich in der Nähe von McFarlands Zimmer befand. Gleich würden beide Männer auf seinem Stockwerk sein und sich von beiden Seiten des Flures seiner Stellung nähern.
    McFarland saß in der Falle. Aus dem mit Holzbrettern verrammelten Fenster des Hotelzimmers konnte er nicht abhauen, denn dort draußen ging es senkrecht mehrere hundert Meter den Fels hinab. Er hatte ein Seil in seiner Ausrüstung, aber das war nur einhundert Meter lang. Und er hätte die Bohlen vor seinem Fenster niemals in so kurzer Zeit aufstemmen können, dass ihn die beiden Angreifer nicht hörten und noch erwischten. Nein, er musste die beiden blitzschnell erledigen. Vielleicht trug der von oben Kommende auch einen weißen Anzug, das würde die Sache erleichtern.
    McFarland zog seine schwarze Sturmhaube über, die von seinem Gesicht nur noch die Augen frei ließ. Er steckte seine Pistole wieder ein, griff nach seiner Maschinenpistole und drückte sich wieder hinter die halb geöffnete Tür.
     
    Markus Denninger hatte sofort nach Betreten des Kammhotels ein sonderbares Gefühl beschlichen. Da war ein Geruch, den er zwar nicht einordnen konnte, der aber so gar nicht in ein Gebäude passen wollte, das seit Jahrzehnten leer stand. Das Eigentümlichste an diesem Geruch war, dass es ihn überhaupt gab. Ein seit fünfzig Jahren leerer Bau, der auf 2800  Metern an der Grenze des Permafrosts lag, konnte kaum nach irgendetwas riechen, denn in dem alten Gemäuer herrschte praktisch immer Eiszeit, ganz bestimmt aber jetzt im Januar. Hier war das Thermometer auch bei Sonnenschein seit drei Monaten nicht über null geklettert.
    Und doch roch Denninger es ganz deutlich. Einen irgendwie technischen Geruch. Wie in einem Supermarkt. Oder in einem Elektromarkt. Nach sich erwärmendem Plastik.
    Dieser Eindruck ließ Denninger die Flure aufmerksamer durchschreiten, als er es eigentlich vorgehabt hatte. Er wollte sichergehen, dass sich hier wirklich niemand aufhielt. Bei allem, was die Terroristen bisher an Überraschungen geliefert hatten, war nicht auszuschließen, dass sie das alte Kammhotel als Basisstation auserkoren hatten. Verdammt, war da noch keiner im Krisen- oder in seinem Einsatzstab draufgekommen? Sicher, das Hotel war so lange außer Betrieb, dass es auf neueren Karten gar nicht mehr eingezeichnet war. Auch er wusste nur durch die Zugspitz-Bergtouren seiner Jugend, dass es den Bau überhaupt gab.
    Zwei Stockwerke war er nach oben gegangen. Er checkte kurz jeden Flur und öffnete ein paar Türen. Nichts Auffälliges. Außer diesem seltsamen Plastikgeruch. Vielleicht bildete er sich den auch nur ein. Bald musste er auf einer der mittleren Etagen sein. Von dort aus musste er hinaus auf die ehemalige Sonnenterrasse des Hotels, soweit er die Details des Gebäudes in Erinnerung hatte. Wenn er dort war, wollte er ein Fenster oder eine Balkontür aufbrechen und dann den kurzen Anstieg zum Gipfelgrad in Angriff nehmen.
    Plötzlich vernahm er ein Geräusch aus den oberen Stockwerken. Er drückte sich an eine Wand und schaltete die kleine Stirnlampe aus. War ein Tier in diesem Eisbunker? Oder war da ein Mensch unterwegs? Die zweite Möglichkeit war wahrscheinlicher. Er entsicherte das Sturmgewehr und verharrte in der Dunkelheit.

Kapitel achtundsechzig
    Waggon der Zugspitzbahn , 6  Uhr 56
    D ie Leute, die wenigstens einige Stunden geschlafen hatten, wurden nach und nach wach. Die Depression war den Menschen im Zug in die Gesichter geschrieben. Von Sitznachbar zu Sitznachbar hatte sich die Botschaft, die der Anführer der Geiselnehmer vor zwei Stunden an die Welt gesandt hatte, herumgesprochen. Um neun Uhr würde etwas passieren, etwas Schreckliches. Jeder hoffte, dass es nicht ihn erwischte.
    Die Männer, die durch den Gang der Zahnradbahn patrouillierten,

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