Krieg der Drachen - Roman
und zumindest wenn er selbst wach war, war sie ständig in seiner Nähe. Und immer dann, wenn Owen aus einem Fiebertraum aufschreckte, war Quarante-neuf mit kühlen Umschlägen und beruhigenden Worten zur Stelle gewesen.
Das dünne Hemd, das Owen erhalten hatte, polsterte die Krücken nicht einmal ansatzweise ab. Du Malphias hatte befohlen, dass er weiter den Lendenschurz tragen musste, den er von den Altashie bekommen hatte, nicht aus Gründen der Ehre, sondern weil es eine Inspektion der bandagierten Beine erheblich erleichterte. Auch die Mokassins hatte er zurückerhalten, und dies war die erste Gelegenheit, bei der er sie trug.
Der Pistolenschuss in den rechten Oberschenkel hatte keine ganz so schwere Wunde geschlagen wie die Musketenkugel. Die Kugel war kleiner gewesen und hatte den Knochen verfehlt. Das hatte du Malphias allerdings gar nicht gefallen. Irgendwie hatte die Ungleichheit der beiden Verletzungen sein Experiment ruiniert. Also hatte der Tharynge den Oberschenkelknochen mit Hammer und Meißel zertrümmert, während Quarante-neuf das Bein ruhig hielt.
Als Owen wieder aufwachte, war der Laureat damit beschäftigt gewesen, beide Wunden auf alle erdenklichen Arten zu vermessen. Er hatte Zahlen und Bemerkungen gerufen, die ein anderer Pasmorte aufgeschrieben hatte. Dann, nachdem er offenbar mit dem Ergebnis zufrieden war, hatte du Malphias fünf Tropfen seines Vivalius über die Wunde verteilt und sie vernäht. Danach hatte er auch die erste Wunde geschlossen und das rechte Bein in ein Lederstück gewickelt, damit nichts von der herabtropfenden Shedashie-Medizin es erreichen konnte.
Jeden Tag kehrte er zurück, drückte und tastete, nahm Maß und machte sich Notizen. Owen hatte sich beschwert, dass sein rechtes Bein sich ganz anders anfühlte als das linke. Es war heiß, und er hatte das Gefühl, als fräße sich etwas hinein. Du Malphias hatte seine Beschwerde mit einem Nicken quittiert und einen zusätzlichen Tropfen Vivalius hinzugefügt, doch von
diesem Moment an strafte seine Miene bei der Untersuchung der Wunde seine zuversichtlichen Worte Lügen.
Dann kam das Fieber. Owen hatte keine Ahnung, wie lange es ihn in den Klauen gehabt hatte, denn er war in einem nicht endenden Alptraum gefangen gewesen. Zwischendurch hatte er Momente gehabt, in denen er wach war, aber nicht klar. Er hatte vage Erinnerungen an wirres, durch die kleine Kerkerzelle hallendes Gebrabbel, während Quarante-neuf ihn mit kaltem Wasser abwusch.
Die einzige Erlösung von den Alpträumen waren kurze Momente, in denen Bethany Frost erschien. Ihr Lächeln senkte sein Fieber und beendet die Qualen. Sie las ihm vor, Worte, die keinerlei Sinn ergaben, aber er lauschte ohnehin nur ihrer freundlichen Stimme. Sie streckte die Hand nach seiner Stirn aus, und manchmal beugte sie sich zu ihm herab, um ihn zu küssen …
Und wurde schreiend fortgerissen. Dann fand er sich abrupt im Wald wieder und rannte auf dem sich windenden Weg. Die Stockgestalten hatten Gesichter, die Gesichter seiner Frau und seiner Verwandten, gefallener Kameraden und von Männern wie Lhord Rivendell. Sie hetzten ihn, schnappten nach ihm, rissen ihm Fetzen aus dem Leib. Er wollte schneller laufen und ihnen entkommen, doch Kugeln schlugen in seine Beine. Er stolperte und fiel, fühlte sie näher und immer näher kommen. Er krallte sich in die Erde und versuchte, sich weiter zu ziehen, und schließlich, als letzter Ausweg, grub er sich zur Sicherheit tief in die Erde ein.
Dann erwachte er in seinem engen Kerker, tief unter der Erde, und fühlte sich ganz und gar nicht sicher.
Du Malphias erklärte ihm zwar nie, was er getan hatte, aber als Owens Zustand sich langsam besserte, schlussfolgerte er manches.
Der Tharynge hatte die Wunde im rechten Bein offensichtlich wieder geöffnet und den Eiter ablaufen lassen. Dann hatte er eine zweite Shedashie-Lösung darüber angebracht und die Wunde offen gelassen, damit sie weiter trocknen konnte. Schließlich hatte er sie wieder vernäht, als die Hitze und Rötung verschwunden waren, und Owen dabei die ganze Zeit wütend angestarrt, ganz so, als hätte er den Laureaten irgendwie verraten.
Dank Quarante-neufs fürsorglicher Behandlung und der Weisheit der Zwielichtvölker erholte Owen sich zunehmend. Es war nicht länger notwendig, ihn zu fesseln, und du Malphias’ strenge Miene machte einem Ausdruck leichter Zufriedenheit Platz. Er hatte Owen sogar die Krücken gebracht und ihn eingeladen, seine Zelle zu verlassen, wann
Weitere Kostenlose Bücher