Krieg der Drachen - Roman
verpflichtet war, die Messe zu besuchen.
Binsen hatte sich mit seinen Predigten einigen Ruhm erworben. Er hatte sie sogar sammeln und als Buch herausgeben lassen. Auch Vladimir hatte ein Exemplar bekommen. Der Mann predigte Moral, Treue und Gehorsam den Gesetzen Gottes und der Krone gegenüber. Alles gut und unterstützenswert, vor allem, wenn man Wert auf eine stabile Gesellschaft legte.
Doch irgendwie richtete sich seine Predigt, wenn der Prinz die Messe besuchte, unfehlbar gegen die Gottlosigkeit Tharyngias. Binsen betonte jedes Mal, dass es einst eine große Nation gewesen sei, doch all das ein Ende genommen hätte, als es Gott den Rücken gekehrt und seinen rechtmäßigen Herrscher gestürzt hatte. Für ihn waren die Wissenschaft und ihre Methoden gleichbedeutend mit der Zurückweisung Gottes, denn schließlich fände der Mensch auf den Seiten der Bibel alles, was Gott ihn wissen lassen wolle. Falls es sich dort nicht fand, betrachtete Binsen es als überflüssig.
Binsens einziger bisheriger Besuch auf dem Landgut hatte einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen. Alle anderen Besucher hatten auf das Labor mit einem Ausdruck überwältigten, zum Teil ehrfürchtigen Staunens reagiert, der den Prinzen jedes Mal von neuem freute. Binsen war die einzige Ausnahme. Sein Gesicht war zur Maske erstarrt, er hatte sich nur noch knapp
und abgehackt geäußert und sich so schnell wie möglich verabschiedet.
Würde ich das Haus verlassen, während er sich auf dem Gut befindet, ginge das Labor in Flammen auf. Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel. Vladimir trat hinüber an das Modell der Festung du Malphias’. Durch präzise Messungen und die sonstigen Erfordernisse wissenschaftlicher Arbeit hatten sie ein unbezahlbares Hilfsmittel für den Kampf gegen die Ryngen geschaffen, doch Binsen würde darin eine giftige Frucht sehen.
Er starrte auf das Modell hinab und wünschte, Binsens Gott würde sich entscheiden, die reale Festung zu vernichten. »Es wäre sicherlich bequemer.«
»Was wäre bequemer, mein Lhord?«
Ihre leise Stimme überraschte ihn durch die Ehrfurcht und Reife, die darin lag. Sie war problemlos durch die Türe getreten, da sie von erheblich zierlicherer Statur war, als das gängige Bild der teutonischen Frau ihn hatte erwarten lassen. Das blonde Haar trug sie lang und offen. Es glänzte warm wie Honig. Sommersprossen tüpfelten spielerisch ein etwas breiteres Gesicht, als Vladimir erwartet hatte, aber in den dunkelblauen Augen lagen Intelligenz und Neugier. Sie trug ein einfaches, sehr bescheidenes Kleid aus einheimischer Fertigung, das ihr hervorragend stand.
Er trat zur Seite und verbeugte sich tief. »Hoheit, es ist mir eine Ehre.«
Sie knickste. »Ihr habt mein Klopfen nicht vernommen, Hoheit? «
Vladimirs Blick glitt an ihr vorüber. »Nein, ich befürchte …«
Sie schüttelte den Kopf, und ein keckes Lächeln ließ ihre Mundwinkel zucken. »Man sagte mir, Ihr seid ein Mann von großer Überlegung und Konzentration. Nun kann ich mich
selbst davon überzeugen. Es gefällt mir zu sehen, dass Ihr in unbeobachteten Momenten nicht anders seid als in Gesellschaft. «
Der Prinz musterte sie interessiert und fühlte, wie sich sein Puls beschleunigte. »Habt Dank. Ich bin so, wie Ihr mich seht, wenn auch in aller Regel anders gekleidet.«
»Die Kleidung steht meinem Lhord sehr gut.«
Vladimir schloss halb die Lider. »Bitte teilt Euren Lehrern mit, dass Sie hervorragende Arbeit geleistet haben.«
»Wie meint ihr das?« Ihre Augenbrauen hoben sich, statt sich an der Nasenwurzel zu treffen.
Normalerweise hätte er erwartet, diese Frage in beleidigtem Tonfall gestellt zu hören, doch ihre Stimme klang verwirrt. »Ich will damit sagen, dass Ihr äußerst geschickt in der Kunst der Schmeichelei seid, doch bin ich kein solcher Narr zu glauben, eine jüngere Dame wie Ihr könnte mich im Mindesten attraktiv finden. Wir wissen beide, dies ist eine Ehe aus Staatsraison.«
Sie senkte den Blick. »Seht Ihr es so?«
Er rieb sich das Kinn. »Habe ich Euch falsch eingeschätzt?«
»Ich sollte meinen, mein Lhord, dass ein Mann von Eurer Intelligenz, der die wissenschaftliche Methode bewundert, auf einer etwas eingehenderen Untersuchung bestehen würde, bevor er ein Urteil fällt.« Gisella hob den Kopf. »Würde ich dies für eine rein der Staatsraison geschuldete Ehe halten, welchen Grund besäße ich, Euch zu täuschen? Unser Schicksal läge nicht in unserer Hand. Wir würden heiraten, ich würde Euch
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