Krieg der Drachen - Roman
Owen erinnerte sich an Nathaniel Walds Ermahnung und schloss das linke Auge. »Benutzt nur Euer rechtes Auge.«
Die Stimme des Pasmorte klang lustlos. »Es spielt keine Rolle. Ihre Magie wirkt nicht auf mich.«
Hinter ihnen ertönten Stimmen, gefolgt von zwei weiteren Schüssen. Einer traf Quarante-neuf tief im Rücken. Er grunzte, mehr als Folge des Schlages denn aus Schmerz, drehte sich und schob sich zwischen die tharyngischen Soldaten und Owen Radband. Der lugte an ihm vorbei, während er weiter den sich windenden Weg entlangschlurfte.
Die Tharyngen verteilten sich. Ihre Mienen waren ernst. Ein Offizier bellte Befehle. Die beiden Männer, die gefeuert hatten, luden ihre Musketen mit schnellen, effizienten Bewegungen
nach. Doch als sie die Ladestöcke zurück unter den Lauf schieben wollten, wurden sie langsamer. Ihre Entschlossenheit ließ nach, die Angriffslust zerfloss zu Staunen. Sie öffneten die Hände, ließen die Musketen fallen, hatten sie offenbar schon vergessen.
Owen wagte nicht, das linke Auge zu öffnen, um nicht ebenso verführt zu werden wie die Ryngen. Kleine Kreaturen mit dürren Gliedern, aus Zweigen gewoben und mit Moos und Pilzen bewachsen, spielten keck Verstecken mit ihnen. Sie lugten hinter Baumstämmen hervor, und ihr helles Kichern erfüllte die Luft. Die Männer lachten und stürzten stolpernd vorwärts, fielen zu Boden. Sie kamen mit schneebedeckten Gesichtern wieder hoch und lachten noch lauter, in dem speziellen Tonfall, den Männer dafür reservieren, ihre eigene Dummheit vor Frauen einzugestehen, nach denen sie verlangen.
Jede militärische Disziplin war vergessen. Der Offizier verbeugte sich, zog mit weiter Geste den Hut und richtete sich wieder auf. Er bot einer knorrigen Dryade die behandschuhte Hand, dann nahm er das Wesen in den Arm wie eine Herzogin auf einem festlichen Ball in Feris. Sie tanzten, er bemerkenswert gut, wenn man bedachte, dass er Schneeschuhe trug. Seine Männer verteilten sich bei der Verfolgung ihrer eigenen Phantomgeliebten.
»Wir müssen fort von ihnen.« Owen drehte sich wieder nach Süden um und blieb stehen.
Eine weitere Kreatur war aufgetaucht. Während die anderen aus Geäst bestanden, hatte diese einen ausgewachsenen Baumstamm als Körper und kräftige Schößlinge als Gliedmaßen. Wo man Äste erwartet hätte, formten hölzerne Dornen eine Krone. Das Geschöpf saß mit angezogenen Knien vor ihnen, die Arme ausgebreitet. Obwohl es keine Augen hatte, konnte doch kein Zweifel daran bestehen, dass es sie beobachtete.
Worte formten sich aus leisem Murmeln und schienen aus
dem Boden zu steigen. »Ihr kennt die Gefahren und trotzdem kommt ihr. Ihr seht gar nicht dumm aus.«
Owen zog seinen Arm von Quarante-neufs Schulter zurück und richtete sich so gerade wie möglich auf. »Außerhalb des Weges gibt es Dinge, die schlimmer sind als jedes Schicksal, das mich hier erwarten kann.«
»Die Abscheulichkeit.«
Die Kreatur bezog sich auf du Malphias’ Festung, und nach kurzer Überlegung verstand Owen auch, warum. Ihre Wände bestanden aus den Knochen dieses Wesens, und ihr Bau fraß sich in sein Reich. Die gedankenlos Befehle ausführenden Pasmortes hatten sich vermutlich bis an Orte vorgegraben, um die Menschen instinktiv einen Bogen geschlagen hätten.
»Der Schöpfer der Abscheulichkeit ist mein eingeschworener Feind.« Owen wählte seine Worte überlegt. Er wusste nicht, wie Quarante-neuf reagieren würde. Er fragte sich, ob du Malphias’ Magie auch auf dem sich windenden Weg effektiv war, aber die Anwesenheit des Pasmorte und die Andeutung von Schmerzen in Owens Beinen waren eine deutliche Antwort auf diese Frage. Oder nicht? Er spürte die Schusswunde und das Stechen der Nägel deutlicher als die stechenden Schmerzen, die bisher jeden Schritt begleitet hatten.
»Du bist in mein Reich gekommen. Was willst du von mir?«
»Wir wollen nichts.«
Bassnoten schwangen in Owens ganzem Körper. War das Gelächter?
»Menschen wollen immer etwas.«
»Ich will nur heim.«
»Natürlich willst du das.« Das Wesen erhob sich auf ein Knie und ragte hoch über ihnen auf. »Du hast meinen Kindern etwas zum Spielen gebracht.«
Owen schaute sich um, aber außer dem tanzenden Offizier sah er keinen Soldaten mehr. Vom Berghang klang Lachen herüber, und er bereitete sich innerlich auf Schreie des Entsetzens vor.
»Was wird aus ihnen?«
»Kümmert dich das?«
»Es sind Menschen wie ich. Natürlich ist es mir wichtig.«
Wieder brachte dunkles Gelächter
Weitere Kostenlose Bücher