Krieg der Drachen - Roman
besser.
Denn als das Bild sich geformt hatte und er das Gesicht einer Frau hatte sich aus den Schatten schälen sehen, hatte er für
einen Pulsschlag, nur einen Pulsschlag, gefürchtet, es könnte Bethany sein. Und als es sich als seine Frau herausstellte, hatte er einen einzigen Pulsschlag lang Erleichterung verspürt.
Quarante-neuf zog ihn wieder auf die Beine, dann drehte er sich zu dem Wesen um. »Wollt Ihr von mir dasselbe?«
»Nein.« Das Wesen streckte den Arm aus und berührte seine Stirn mit der grünen Knospe. Innerhalb von drei Pulsschlägen erblühte die Knospe. Riesige grüne Blätter trieben aus, färbten sich rot und gold und fielen ab.
Quarante-neuf wankte und sank auf die Knie. »Ich verstehe.«
Owen drehte sich um. Die Miene des Pasmorte war zu einer reglosen Maske erstarrt. »Was habt Ihr mit ihm getan?«
»Ich habe einen Prozess beschleunigt, der bereits begonnen hatte.« Das Wesen trat zurück. Ein Weg öffnete sich nach Osten. »Ich kenne euch beide. Ich weiß, eure Leben werden voller Leid sein. Das wird mir gefallen, deswegen lasse ich euch weiterleben. «
Owen half Quarante-neuf auf. »Ihr habt gesagt, was ich sah, sei die Zukunft. Gibt es eine Möglichkeit, sie zu ändern?«
»Ein paar Möglichkeiten, falls du deine Entscheidungen mit Vorsicht triffst. Falls du dich daran erinnerst, was du wirklich bist. Aber das wirst du nicht. Es ist diese Reibung zwischen dem, was du bist, und dem, was du zu sein glaubst, die dir all das Leid bescheren wird.« Lachen stieg aus dem Boden und dem Schnee. »Ihr foltert euch mit solchem Können.«
Das Wesen deutete den Weg hinab. »Geht. Ihr werdet eure Welt anders, aber weitgehend gleich vorfinden. Geht, Söhne Mystrias, in dem Wissen, dass eure Zukunft euch die Freiheit erkauft hat.«
Owen legte den Arm um Quarante-neufs Taille und führte den Pasmorte den Weg entlang. Er sah keine weiteren Dryaden
zwischen den Bäumen lauern und machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen. Er wusste, das Wesen wäre verschwunden und mit ihm alle Spuren der Tharyngen. Alles, was ihm vom sich windenden Weg blieb, war die Wahrheit – Leiden –, nicht die Illusion des Friedens.
»Was hat es Euch getan, Quarante-neuf? Was habt Ihr gesehen? «
»Es betrifft Euch nicht, Kapteyn. Wie es selbst sagte, es hat nur beschleunigt, was ohnehin geschah.«
»Sterbt Ihr?«
Quarante-neuf stieß ein kurzes Lachen aus. »Das ist keine Aufgabe, die man zwei Mal erledigen muss. Nein, meine Lebenskraft versiegt nicht.«
»Gut.« Owen blieb stehen und kippte vornüber. »Ich befürchte nämlich, die meine tut es.«
Der Pasmorte richtete sich auf. »Ich trage Euch.«
»Nein, mein Freund, lasst mich nur kurz rasten. Ein paar Schritte noch. Sobald wir über diese Kuppe dort sind, ruhe ich mich aus.«
Quarante-neuf legte den linken Arm um Owen und warf sich dessen rechten Arm wieder über die Schultern. Die Schritte des Pasmorte blieben kräftig, er hielt Owen problemlos aufrecht. Tatsächlich schien er mit jedem Schritt stärker zu werden. Er zeigte keine Spuren von Müdigkeit oder einer Verletzung durch die Schusswunden.
Dann musste Owen lachen. Das erscheint mir so, weil ich schwächer werde.
Sie kamen über den Hügel, und wieder veränderte sich die Welt. Ein kräftiger Ostwind schlug ihnen ins Gesicht und brachte eine Ladung nassen Schnees mit. Owen stolperte einen Schritt zurück, in der Hoffnung, sich auf den sich windenden
Weg zu retten, doch der existierte nicht mehr. Statt auf einem Hügel standen sie mitten auf einer Wiese.
»Das verstehe ich nicht.« Owen hielt sich die Hand vors Gesicht. Er musste brüllen, um sich gegen den tosenden Wind verständlich zu machen. »Das kann nicht sein.«
Quarante-neuf lachte. »Wo wir gerade waren, kann nicht sein, Kapteyn. Dieser Ort ist . Und glücklicherweise weiß ich, wo wir sind. Kommt.«
Sie gingen weiter. Zumindest ging Quarante-neuf. Er schleppte Owen durch Schneewehen und zwang ihn, in Bewegung zu bleiben, wenn er anhalten wollte. »Das geht nicht, Kapteyn. Ihr werdet erfrieren. Wenn ihr euch nicht bewegt, sterbt Ihr.«
»Das ist ein besseres Schicksal als das, welches ich gesehen. Dass meine Gattin mich hasst.«
»Habt Ihr das wirklich gesehen?«
»Der Ausdruck auf ihrem Gesicht. Meine Schuld.«
»Aber Ihr könnt es ändern. Das hat er gesagt.«
Owen brach zusammen und rollte sich ein. »Ich schaffe keinen Schritt mehr.«
»Und ich kann Euch nicht zu Schaden kommen lassen.«
Owen klopfte dem Pasmorte aufs Bein.
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