Krieg der Drachen - Roman
sahen sich von zwei Seiten angegriffen, legten hastig die Waffen nieder und öffneten Major Forst die Tore.
Der tharyngische Kommandant, Koronel Pierre Boucher, übergab Major Forst sein Schwert. Forst reichte das Schwert entsprechend auropäischer Sitte gegen das Versprechen, keinerlei weiteren Widerstand zu leisten, zurück. Der Koronel erklärte sich einverstanden, und mit Major Forsts Erlaubnis bildeten die Tharyngen auf seinen Befehl Gruppen, die ihre Verletzten einsammelten und ihre Toten bestatteten.
Nathaniel schob das Gewehr wieder in die Wildlederhülle. »Schätze, Major, wir ha’n Euch ein wenig überrascht.«
»Ich habe gelernt, im Krieg von keiner Wendung überrascht zu sein, Kapteyn Wald. Es läuft niemals so wie geplant, und leider ist zum Schluss immer eine Blutrechnung zu begleichen.« Der ältere Mann schaute sich um, und seine Miene wurde starr. »Caleb?«
»Hat sich ’ne Narbe und ’ne dazugehörige Geschichte eingehandelt. « Er nickte. »Hat seine Jungs gut geführt.«
»Gut. Ich danke Euch.«
»Und ich Euch, Sire, für die Rettungsaktion.« Nathaniel seufzte. Sein Hinterkopf schmerzte. »Schätze, es wird Zeit, die Rechnung aufzustellen. Mit Erlaubnis, Sire, mach ich mich dran.«
Zwei der Sommerland-Jungs waren bei der Eroberung der Korvette gefallen und zwei schwer verletzt worden. Einer der Toten war ein Lanatashie. Die Nordlandschärler hatten insgesamt fünfzehn Tote und fünf Verletzte zu beklagen. Ein Drittel der Toten waren Bücherwürmer. Es hätten sechs sein können, doch einem von ihnen hatte ein Exemplar von ›DIE BERUFUNG EINES KONTINENTS‹ das Leben gerettet, indem es eine Kugel auf Seite zweiundfünfzig aufhielt. Die Südkolonienschärler hatten niemanden verloren. Ihr einziger Verletzter war von der Sturmleiter gefallen und hatte sich das Bein gebrochen.
Major Forst brachte die Ryngen wieder mit den Gefangenen zusammen, dann musste jeder von ihnen unterschreiben, dass er als Bedingung für die Freilassung nicht mehr gegen Mystrianer kämpfen werde. Danach halfen die Schärler ihnen, Flöße und Kanus zu bauen, mit denen sie über den Fluss nach Kebeton aufbrachen.
Eigentlich hätte Friedensreich zu den Verletzten gezählt werden müssen, doch davon wollte er nichts hören. Er hatte noch nie eine Kanone abgefeuert gehabt und angenommen, sie würde wie eine große Muskete bedient. Folglich hatte er die Magie gewirkt, und der große Feuerstein hatte ihm mehr abgezogen als erwartet. Sein ganzer Unterarm war schwarz und blau. Er sagte jedem, es sei halb so wild, aber er wurde spürbar ruhiger und las Ryngen, die sein Schuss verletzt hatte, aus der Bibel vor.
Nathaniel fand Major Forst auf der Mauer über dem Osttor, als er ihm Meldung erstatten wollte. »Caleb erholt sich wieder. Haben die Wunde mit Mogiqua vollgestopft und fest verbunden. Ist nur eine Fleischwunde, nichts Ernstes.«
Forst nickte. »Ich werde den Familien der Gefallenen schreiben. «
Nathaniel runzelte die Stirn. »Schätze, ich werd’ auch ein paar Buchstaben lernen müssen, um das zu könn’.«
»Es ist keine angenehme Aufgabe.«
»Ist mir schon klar. Muss aber getan werden.« Er seufzte. »Gehört zu meiner Verantwortung für meine Männer.«
»Eure Männer?« Frost schmunzelte. »Brat mir einer ’nen Storch, ich hätte nie geglaubt, Euch das einmal sagen zu hören.«
»Will nicht behaupten, es fiele mir leicht, aber ich schätze, das wisst Ihr selbst. Und Ihr habt gewusst, dass es so kommt, als Ihr einen Offizier aus mir gemacht habt.«
»Mag schon sein.« Der Major legte Nathaniel die gesunde Hand auf die Schulter. »Ich wusste, Ihr hattet das Zeug zu einem guten Offizier.«
»Bin mir nicht sicher, ob ich das Vertrauen verdiene.« Er schaute zurück zum Kai. »Der Wahrheit die Ehre, als sie im Sturmlauf auf uns zukamen, hatte ich gewaltige Angst. Hätte weglaufen mögen.«
»Aber Ihr habt es nicht getan.«
»Nein, Sire.«
»Wisst Ihr, warum nicht?«
»Bin mir nicht sicher, ob ich zu verdammt stur war oder einfach ein verdammter Narr.«
Forst lachte, ein Klang, der gar nicht in das verwüstete Fort passen wollte, aber deswegen um nichts weniger willkommen war. »Ihr seid nicht weggelaufen, weil Eure Männer, hättet Ihr
es getan, auch die Flucht ergriffen hätten und gestorben wären. Ihre einzige Chance bestand darin, sich dem Kampf zu stellen. Und das taten sie für Euch, weil sie Euch vertrauen. Ihr habt dieses Vertrauen nicht enttäuscht. Das dürft Ihr als Offizier niemals.
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