Krieg der Drachen - Roman
eine Überlegung. Könnte eine gute Idee sein, hier nicht alles zu verderben.«
Owen verzog das Gesicht. »Ihr findet, die Leute sollten tun dürfen, was sie wollen? Keine Regierung? Keine Autorität?«
Wald tippte sich an die Schläfe. »Das hier ist ein Land für starke Menschen. Man hat ein Recht auf das, was man kann, was man schafft. Und ein wunderschönes Land. Gebt mir Kugeln, Pulver, einen Feuerstein und ein paar Fallen, dann kommen ich und die Meinen gut aus. Was ich nicht selbst bauen kann, tausche ich ein. Dafür brauche ich kein Geld, keine Steuern, auch keine Wachen oder sonst wen, die mir sagen, was ich darf und was nicht.«
»Aber was ist, wenn jemand kommt und sich das nehmen will, was Ihr habt? Ihr wollt doch wohl nicht behaupten, er hätte ein Recht darauf, wenn Ihr nicht stark genug seid, es zu behalten. «
»Niemand hat einen Grund, zu kommen und sich zu holen, was mir gehört. Gibt so viel freies Land hier. Er kann sich einfach irgendwo niederlassen und sein Eigen aufbauen.«
»Und wenn er dazu zu faul ist? Was, wenn er nicht weiterziehen will? Wenn er sich entschließt, sich das zu nehmen, was ein anderer schon aufgebaut hat, der schwächer ist als er? Wenn er plündern und marodieren will?«
»Schätze, dann fängt er sich eine Musketenkugel ein.«
»Und falls der Schütze einen Fehler macht und das falsche Ziel trifft?«
Nathaniel zuckte die Achseln. »Will nicht behaupten, es wäre alles perfekt. Nur, dass keine Regierung kommen und dir alles wegnehmen soll, wofür du gearbeitet hast, bloß weil ein paar Wähler irgendwo das so wollen. Jetzt werdet Ihr sagen, dafür gibt es Gerichte. Und ich würde Euch Recht geben, wenn Ihr mir zusagen könnt, dass ein wenig Gold hier und da keinen Richter umstimmen kann.«
Owen lachte. »Ich werde nicht behaupten, das derzeitige System sei vollkommen, doch zumindest ist es ein System. Was Ihr vorschlagt, ist nur eine Mögichkeit für jedermann, allein zu sterben.«
»Mag sein, Ihr habt Recht, Kapteyn Radband.« Nathaniel schüttelte den Kopf. »Aber ich schätze, manchmal wäre das gar nicht so schlecht.«
DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
15. Mai 1763
Sankt Fortunas
Gottesgaben, Mystria
O wen schlief im Langhaus allein, aber unter einem Tannerfell und nahe genug am Herdfeuer, um nicht zu frieren. Während der Nacht wachte er zweimal aus Träumen auf, in denen er sich mit Bethany Frost unterhielt. Er erinnerte sich nicht daran,
worüber sie redeten, doch in einem Traum schlenderten sie Hand in Hand am Flussufer in der Nähe des prinzlichen Wurmstands entlang.
Er wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Normalerweise hätte er die Träume als Unsinn abgetan. Er hatte schon zahllosen Soldaten, die am Vorabend der Schlacht unter Alpträumen litten, erklärt, dass sie nichts bedeuteten und noch weniger vorhersagten. Und als er das tat, war er davon auch fest überzeugt gewesen.
Doch all das war vor seiner Ankunft in Mystria gewesen. Allein die Erfahrung des sich windenden Weges hatte genügt, ihm bewusst zu machen, dass es mehr Magie auf der Welt gab, als er je für möglich gehalten hätte. Vielleicht lag es wirklich nur an diesem Land, in dem die Magie aus dem Boden quoll wie Wasser aus einer Quelle. Vielleicht war es gar nichts, nur eine Illusion, doch immer, wenn er das dachte, erinnerte er sich daran, wie Kamiskwa das Kanu repariert und andere Zauber von weit größerer Macht gewirkt hatte.
Zum letzten Mal wurde er kurz nach Sonnenaufgang wach und verzehrte ein Frühstück aus Maisbrei. Seine Gastgeber verwandelten den Brei in eine Delikatesse, indem sie zerriebenen Ahornhonig daruntermischten. Das kleine Mädchen saß neben ihm, aß so wie er, lächelte, wenn er es tat, und kicherte zufrieden und ohne erkennbaren Grund.
Im Licht des Herdfeuers schrieb er einen Brief an Prinz Vladimir. Er beschrieb die Umstände, unter denen sie den Ring und das Tagebuch gefunden hatten. Er teilte ihm seine Vermutung mit, dass die Kreise die Mondphasen darstellen sollten. Und er schloss Hintergrundmaterial über Pierre Ilsavont ein, so schwierig es auch war, den Namen an Hand der ›Berufung eines Kontinents‹ zu verschlüsseln.
Sobald er damit fertig war, verfasste er einen zweiten Brief an die Frosts. Da er niemanden erschrecken wollte, konzentrierte er sich auf die erstaunlichen Beobachtungen, die er gemacht hatte. Er beschrieb die Schönheit der Wasserfälle und die Freundlichkeit der Altashie. Mit Bemerkungen über Magie hielt er sich
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