Krieg der Sänger
weil trocken und
windstill, für die Hatz wie geschaffen. Sowenig Luther die Jagd auch
interessierte, nahm er die Einladung dennoch dankend an: Für einige Stunden
seiner dumpfen Klause zu entfliehen, um mit Männern und Hunden durch den Wald
zu streifen, würde ihn sicherlich von seinen tristen Gedanken befreien.
Sie waren zu sechst, dazu eine Meute Jagdhunde. Gleich hinter der
Zugbrücke folgten sie rechter Hand einem steilen Pfad den Hang hinunter, dann
an der östlichen Flanke der Burg entlang – dort, wo das Richtschwert des
Eisenacher Henkers gelandet sein musste – und schließlich weiter nach Süden,
talwärts. Eine knappe Stunde liefen sie, bis die Hunde das erste Mal
losgelassen wurden. Die Knechte spannten die Netze, um das Wild darin zu
fangen, sollte es in ihre Richtung fliehen. Zwei von ihnen hatten außerdem
Armbrüste geschultert, für den Fall, dass sie Rehen oder einer Rotte
Wildschweine begegneten.
Die Landschaft und der Waldboden unter den Füßen waren ein Genuss,
aber die Hunde verleideten Luther die Jagd sehr bald. Der Lärm, den sie
machten, bald jaulend und winselnd, bald knurrend und kläffend, stach ihm übel
in die Ohren, das Zerren an den Leinen und das wilde Hin- und Hergerenne irritierte
ihn, und ihre blutdürstigen Fratzen, die gefletschten Zähne und der Geifer
erinnerten ihn an die zahllosen Handlanger des Papsttums in Worms und anderswo,
wie sie lauthals seinen Kopf forderten. Er war froh, die Hunde unter dem Hussa! der Knechte endlich ins Unterholz davonpreschen zu
sehen. Als die Ersten von ihnen mit totgebissenen Rebhühnern im Maul
zurückkehrten, hatte sich ihre Mordgier zumindest etwas gelegt.
Später wurden auch Hasen aufgespürt, und Luther tat es im Herzen weh
zu sehen, wie diese unschuldigsten und redlichsten aller Geschöpfe von einer
Überzahl grober Hunde durch den Wald gehetzt wurden; dass man ihnen selbst in
dieser höchsten Gefahr die Angst nicht ansah, dass sie bis zuletzt stumm
blieben und nicht einmal aufschrien, wenn die Zähne der Bestien ihnen durch
Fleisch und Knochen fuhren.
Mitten im Durcheinander bemerkte Luther, der etwas abseits von
Berlepsch und seinen Knechten stand, einen Hasen, der den Hunden und Netzen
entwischt war und nun auf ihn, Luther, zulief und unmittelbar vor ihm stehen
blieb. Es war ein junges Tier. Nachdem Luther sein erstes Erstaunen überwunden
hatte, beugte er sich nieder, nahm das Tier in die Hand und barg es im weiten
Ärmel seines Rockes. Er spürte das Häschen in seinem Gewand, schwer und warm und
bebend, aber niemand sonst hatte Notiz davon genommen. Luther würde das
Zutrauen des Tieres belohnen, indem er ihm das Leben rettete: Er würde sich ein
gutes Stück von der Gruppe entfernen, um das Häschen wieder abzusetzen in einem
Abstand, der groß genug war, sich vor den Hunden in Sicherheit zu bringen.
Diese Tat würde seine Missstimmung vertreiben.
Aber nach einigen Schritten kam ein Hund aus dem Unterholz hervor
und stellte sich Luther in den Weg. Er tat es mit der gleichen befremdlichen
Selbstverständlichkeit wie schon der Hase. Es war ein Jagdhund wie die anderen,
und doch konnte sich Luther nicht daran erinnern, ihn schon beim Verlassen der
Wartburg gesehen zu haben. Seine Fänge wirkten länger, sein Fell krauser, seine
Augen röter. Er knurrte nicht: Er witterte lediglich. Luther machte einen
Schritt zur Seite, aber der Wolfshund tat es ihm gleich. Auch den Schritt zur
anderen Seite imitierte er. Er wollte Luther offensichtlich nicht vorbeilassen.
Noch während Luther auf den Hacken kehrtmachte, um einen anderen
Ausweg für seinen Schützling zu finden, tat der Hund einen Satz und schnappte
nach Luthers Rock, präzise genug, Luthers Arm zu verschonen und sich
gleichzeitig im rechten Lauf des Hasen zu verbeißen. Sofort begann der Hase mit
allen freien Gliedern zu strampeln. Im Versuch, sich von dem Teufelshund
loszumachen, strauchelte Luther rücklings über eine Wurzel und fiel zu Boden.
Dabei löste sich zwar der Biss des Bestie, aber auch das Häschen purzelte aus
dem Ärmelversteck, und es hatte kaum einige verletzte Hüpfer machen können, da
war der Hund schon über ihm und zerbiss ihm das Genick; nah genug an Luthers
Ohren, dass dieser das Knacken der Knochen hören konnte.
Das tote Tier, an dem der Hund keinerlei Interesse mehr hatte, ließ
er Luther vor die Füße fallen. Dann trottete er zurück zur Meute. Luther
starrte die Trophäe an, das Häschen mit dem blutigen Kragen: ein Andenken
daran, wie es ihm
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