Krieg der Wächter - Green, S: Krieg der Wächter - Daemons Are forever
bestätigte Jacob.
»Er war ein Drood?«, staunte Molly.
»Wohl kaum«, entgegnete der Waffenmeister. »Wir haben schon unsere Mindestanforderungen. Nein, er war Merlin Satansbrut, des Teufels eingeborener Sohn. Geboren, um der Antichrist zu sein, aber er lehnte die Ehre ab. Er musste ja immer seinen eigenen Weg gehen. Gemäß einiger, recht faszinierender Aufzeichnungen in der alten Bibliothek hat er allerdings tatsächlich gelegentlich mit der Familie zusammengearbeitet. Wenn es ihm in den Kram passte. Und offenbar schuldete er uns einen Gefallen und zeigte sich erkenntlich, indem er uns diesen Spiegel schenkte.«
Molly streckte die Hand danach aus und ich gab ihn ihr. Sie murmelte ein paar Worte über dem Spiegel, vollführte ein paar schnelle Gebärden, hielt ihn sogar mit dem Kopf nach unten und schüttelte ihn, in der Hoffnung, es könnte etwas herausfallen, doch nichts passierte. Molly rümpfte die Nase und gab mir den Spiegel zurück.
»Na schön«, meinte sie, »ich passe. Wofür soll er gut sein?«
»Man kann ihn benutzen, um Kontakt zu anderen Mitgliedern der Drood-Familie herzustellen, in der Vergangenheit oder in der Zukunft, und sie um Rat oder Informationen zu bitten.«
Es entstand eine Pause, und dann sagte Molly: »Nichts für ungut, Leute, aber ich denke, bei dem Geschäft hat man euch beschissen. Ich meine, es ist nicht der nutzloseste magische Gegenstand, den ich jemals gesehen habe, aber es kommt ihm verdammt nahe.«
»Du bist eine Hexe«, sagte der Waffenmeister freundlich, »und deshalb daran gewöhnt, hauptsächlich in Kategorien des Hier und Jetzt zu denken. Der Spiegel hat viele Verwendungszwecke. Hochwichtige Informationen, die in dieser Zeit verloren sind, können in der Vergangenheit, als sie noch nicht verloren waren, gefunden werden. Oder in der Zukunft, nachdem sie wiederentdeckt worden sind. Die bedeutendsten Familienstrategen - der Vergangenheit und der Zukunft - stehen uns jetzt als Ratgeber zur Verfügung. Wir können uns sogar spezifischen Rat aus der Zukunft einholen, welche Angelegenheiten wir verfolgen und von welchen wir besser unbedingt die Finger lassen sollten.«
»Wenn dieser Spiegel so nützlich ist«, wunderte ich mich, »wie kommt es dann, dass er so lange verschollen war?«
»Ach«, sagte der Waffenmeister widerstrebend, »darüber existieren viele Geschichten. Die, der ich am ehesten Glauben schenken würde, weil ich sie am wenigsten mag, besagt, dass jemand dem Spiegel eine ganz bestimmte Frage gestellt und von ihm eine ganz bestimmte Antwort bekommen hat, die ihn völlig durcheinanderbrachte. Deshalb nahm er den Spiegel und versteckte ihn, um zu verhindern, dass irgendjemand anders die Frage ebenfalls stellte oder die Antwort erfuhr.«
»Ich kann nicht verstehen, wie diese Familie etwas so Nützliches so leichtfertig aufgeben konnte«, meinte Molly.
»Ich schon«, sagte ich. »Die Droods sind schon immer sehr vorsichtig gewesen bei allem, was mit Zeitreisen zu tun hat - seit dem Großen Zeitdesaster von 1217, als die Familie sich um ein Haar selbst ausgelöscht hätte, nachdem sie aus Versehen ein Möbiusband-Zeitparadoxon erzeugt hatte. Es gibt immer noch einige Zimmer im Herrenhaus, die wir nicht finden können, wegen dem, was wir machen mussten, um aus der Zeitschleife auszubrechen. Und was möglicherweise immer noch mit den armen Schweinen passiert, die wir in diesen Zimmern zurücklassen mussten, daran wollen wir gar nicht erst denken. Der menschliche Verstand hat schlichtweg nicht das nötige Rüstzeug, um sich mit allen denkbaren Komplikationen und ausgesprochen tückischen indirekten Folgen des Herumpfuschens an der Zeit zu beschäftigen.«
Und dann hielt ich jäh inne, denn mir kam eine Idee mit solcher Heftigkeit, dass es mir den Atem raubte, während eine knochige Hand sich um mein Herz krallte. Ich blickte in Merlins Spiegel, und mein Gesicht starrte mich zurück an, so kalt und hart und entschlossen, dass ich es kaum wiedererkannte.
»Kann ich mit jedem in der Vergangenheit Kontakt aufnehmen?«, fragte ich, und selbst ich konnte erkennen, dass die Stimme sich nicht wie meine anhörte. Sie klang rücksichtslos, sogar gefährlich. Alle schauten mich angespannt an. Ich glaube, Molly begriff zuerst, vielleicht weil ihr Verstand bereits begonnen hatte, sich auf ähnlichen Bahnen zu bewegen. Ich blickte den Waffenmeister an, und jeder andere wäre vermutlich zusammengezuckt beim Anblick dessen, was er in meinen Augen sah. »Ich weiß, dass es
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