Krieg der Wächter - Green, S: Krieg der Wächter - Daemons Are forever
nahe, aber es gab ein paar Dinge, über die er einfach nicht reden wollte. Da war irgendetwas mit Melanie, oder mit Harry, aber ... Na, jedenfalls, nach Melanies Verschwinden bestand James darauf, dass wir Arbeit für Harry als Frontagenten finden, und die Matriarchin hielt ihn mit Aufträgen in fremden Gegenden beschäftigt. Und genau wie du, Eddie, lebte Harry für seine Arbeit und kam nie nach Hause.«
»Ich durfte nie das Land verlassen«, wandte ich wehmütig ein.
»Aber Harry war James' Sohn«, erinnerte mich der Waffenmeister, »und James war immer Mutters Liebling. Doch Harry erwies sich als ausgezeichneter Frontagent; äußerst einfallsreich erledigte er immer seinen Job.«
»Aber was für ein Mensch ist er?«, wollte Molly wissen.
»Ich habe keine Ahnung«, gestand der Waffenmeister und lachte in sich hinein. »Harry war James einziger legitimer Sohn, aber er hat unzählige Stiefbrüder und -schwestern, die über sämtliche Länder der Erde verstreut sind, von den ganzen Frauen, mit denen James ... Beziehungen hatte, durch die Jahre hindurch.«
»Er konnte ihn nie in der Hose behalten«, bestätigte ich. »Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie oft ihn das in Schwierigkeiten gebracht hat.«
»James war halt sehr romantisch!«, verteidigte ihn der Waffenmeister entschlossen. »Er verliebte sich immer schnell in ein hübsches Gesicht und bereute es anschließend meistens. Die Familie hat nie offiziell irgendeinen dieser Sprösslinge anerkannt, aber um James' Zufriedenheit willen trafen wir für gewöhnlich Arrangements, um sie erwerbstätig zu halten, und ließen sie nützliche Arbeit für die Familie tun. Ab und zu, wenn wir mehr als üblich Abstand halten oder ableugnen mussten.«
»Ich dachte, eure Familie billigt kein Halbblut?«, warf Molly ein.
»Tun wir auch nicht«, bestätigte ich. »Sie werden nie nach Hause eingeladen und wir schicken ihnen keine Weihnachtskarten. Die Droods sind in mancherlei Hinsicht eine sehr altmodische Familie, aber das kommt eben vor, wenn man schon Jahrhunderte auf dem Buckel hat.«
»Aber sie für gefährliche Aufgaben zu benutzen, ist trotzdem in Ordnung?«
»Die Familie kann sehr pragmatisch sein, wenn sie will«, erklärte der Waffenmeister. »Nur so konnten wir jahrhundertelang überleben.«
Schließlich erreichten wir den See. Die dunkle, blaugrüne Oberfläche des Wassers erstreckte sich vor uns, ruhig und unberührt, das andere Ufer so weit weg, dass wir es nicht einmal sehen konnten. Irgendwo im See gibt es eine Wassernixe, aber sie bleibt für sich. Das Erste, was mir auffiel, war, dass sämtliche Schwäne verschwunden waren, vermutlich ans andere Ende des Sees geflohen. Und als ich die beiden Männer am Seeufer vor uns stehen sah, verstand ich warum.
Harry Drood lächelte dem Waffenmeister kurz zu, starrte mich kühl an und bedachte Molly mit einem knappen Nicken. Er sah in seinem elegant geschnittenen grauen Anzug groß und gut gebaut aus und das Gesicht hinter der Stahlbrille hatte jenes alltägliche Aussehen, das die Droods zu so ausgezeichneten Geheimagenten machte. Niemand schaut auf der Straße ein zweites Mal nach uns, und so mögen wir es auch. Harry hielt einen toten Schwan an seinem gebrochenen Hals fest, als ob es etwas sei, das er zufällig aufgehoben habe. Für einen Eindringling und Schwanenkiller machte er einen bemerkenswert lässigen und ungezwungenen Eindruck.
Der Halbblutdämon neben ihm strahlte die ganze Gelassenheit und Sicherheit eines Raubtiers aus, das niedergekauert und bereit zum Angriff auf seine Beute lauert. Er sah hinlänglich menschlich aus, bis man die Einzelheiten in sich aufnahm. Er war knapp zwei Meter groß, schlank, aber athletisch gebaut und hatte ein unnatürlich blasses Gesicht, nachtschwarze Haare und Augen und einen Mund, der so schmal war, dass er fast keine Lippen aufwies. Er trug einen Armani-Anzug und trug ihn gut, dazu eine altmodisch-traditionelle Krawatte, von der ich nicht glauben konnte, dass er sie auf ehrlichem Wege erworben hatte. Seine beiden Hände steckten tief in den Taschen, und er lächelte uns alle unbefangen an. Es lag kein Humor in dem Lächeln - bloß ein Raubtier, das die Zähne zeigte.
Von Nahem roch er nach dem Höllenschlund; ein saurer und Übelkeit erregender Gestank nach Schwefel und Blut. Das Gras unter seinen Füßen war geschwärzt und schwelte.
»Hallo, Onkel Jack!«, sagte Harry mit leichter, angenehmer Stimme. »Ich bin nach Hause gekommen. Ist nicht nötig, ein
Weitere Kostenlose Bücher