'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'
das ist das andere Problem.) Jetzt eröffnete er mir dies:
»Ich will zu den Kartoffeln.«
»Tom«, sagte ich, »du kannst nicht andauernd hin und her wechseln.«
»Ich will aber!«
»Wieso denn?« Ich gebe zu, dass ich etwas ärgerlich war, aber seine Begründung haute mich um:
»Weil die Kartoffeln beichten dürfen.«
»Was?«
»Beichten!«
»Und das willst du?«
»Genau.«
»Aber Tom, das stimmt doch gar nicht, erst, wenn die älter sind und Kommunion hatten, dürfen die ... also müssen die ...« Ich wusste nicht weiter. Ich habe die Beichte eher als etwas Bedrückendes in Erinnerung, als eine Art Geständniszwang, als etwas, ich gebe das gerne zu, vor dem ich mein Kind bewahren wollte. Aber Tom hat seine eigene Auslegung.
»Weißt du denn überhaupt, was eine Beichte ist?«, fragte ich ihn.
»Klar«, sagte Tom, »das ist praktisch: Wenn man was angestellt hat, geht man mit dem Pfarrersmann in so einen Kasten, erzählt alles, muss ein Gedicht aufsagen, und dann ist es wieder gut. Und der Pfarrersmann darf einen nicht verpetzen. Weil das geheim ist.«
Daher wehte also der Wind.
»Hast du denn was angestellt?«, fragte ich ihn.
»Das sag ich dir doch nicht!«
Nach etlichem Hin und Her und dem Versprechen, dass ich erstens nicht schimpfen würde und er, zweitens, seine langen Haare behalten dürfe, solange er ein Haarband trage – »und zwar genau so eins, wie der Frings hat!« –, rückte er mit der Sprache raus:
»Ich habe heimlich Schokolade aus dem Schrank genommen.«
Also, wenn alle Kinder, die so etwas tun, gleich katholisch werden wollen, dachte ich erst, braucht sich die Kirche keine Nachwuchssorgen zu machen. Dann aber nagten Selbstzweifel und schlechtes Gewissen an mir, umso mehr, als mir Tom versicherte, dass er »einfach Hunger gehabt« habe und »halt keiner zum Fragen da gewesen« sei. (Weil wir ihn mal wieder allein gelassen hätten!)
Das Ende vom Lied: Ich versicherte meinem Sohn tausendmal, dass alles in Ordnung sei, lobte ihn überschwenglich, weil er alles »gebeichtet« hatte, versprach, ihn nie mehr allein zu lassen, überhaupt sei er ein prima Kind und seine Haare toll und der Frings sowieso. Mich dagegen hielt ich für den schlimmsten aller Rabenväter.
Das Ende dieser Geschichte aber geht so: Als ich im Internet nach dem versprochenen Haarband suchte und »Frings« googelte, erschien dort nicht etwa der Fußballer Thorsten, sondern der frühere Kölner Erzbischof Joseph Frings, der vor allem dadurch berühmt wurde, dass er in der Silvesterpredigt von 1946 das»Organisieren von Lebensmitteln« und den »Kohlenklau« seitens der notleidenden Bevölkerung »vor Gott und der Welt« rechtfertigte, weshalb man in der kölschen Sprache bis heute das Wort »fringsen« für »Mundraub« verwendet.
(Und wenn das keine Schlusspointe ist, dann weiß ich auch nicht.)
Am Anfang war das Bild
Auch wenn »Fußball« das alles beherrschende Thema meines Sohnes Tom ist, brennt mir schon seit Langem ein anderes auf den Nägeln: das Thema Geld.
Tom hat dazu nämlich ein, sagen wir mal, spezielles Verhältnis. Auf der einen Seite achtet er penibel darauf, pünktlich sein Taschengeld zu erhalten, weil er es prima findet, Geld zu besitzen; vor allem Münzen, weil die so schön klimpern und man die andauernd und sehr geräuschvoll zählen kann. Auch kann man wildfremde Menschen mit dem Satz beglücken:
»Ich hab 18 Euro 79 Cent, soll ich’s dir mal zeigen?«
Wer den Fehler macht, diese Frage mit »Ja« zu beantworten, bekommt eine mindestens 20-minütige Show im Münztürmchenbau geboten.
Auf der anderen Seite gibt Tom das Geld auch sehr gerne aus – wenn er es nicht verliert. Was oft vorkommt.
»Tu das Geld doch in deinen Umhängegeldbeutel«, sage ich ihm immer wieder und höre mich dabei an wie meine Mutter. Die das zu mir auch immer gesagt hat: »Tu das Geld doch in deinen Umhängegeldbeutel. Der ist praktisch und vernünftig.« Sieht aber doof aus! Darauf kommen alle Kinder: Warum – wenn’s denn so praktisch und vernünftig ist – tragen die Erwachsenen keinen Umhängegeldbeutel? Eben!
Nein, Tom hat das Geld wie sein Vater lieber lose in der Hosentasche. Führt zwar zu Schwund, klimpert aber schön. Außerdem kommt man besser dran, wenn man es ausgeben will.
Für Fußballbildchen zum Beispiel, was eine sinnvolle Investition ist, denn Fußballbildchen sind in Toms Kreisen die Tauschwährung Nummer eins. Man kriegt in der Schule andere Bildchen dafür, aber auch Schokolade
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