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'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

Titel: 'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Jochimsen
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oder Kakao für besonders beliebte Bilder – und für einen Schweinsteiger oder Özil schon mal Geld. Von dem man sich wieder neue Fußballbildchen kaufen kann, die man dann wieder reinvestiert im Tausch gegen ...
    Kurz: Fußballbildchen sind in der Schule das, was Zigaretten im Knast sind, und Tom ist der Pate!
    Akribisch studiert er die Bundesligatabelle, weiß haargenau, welcher Spieler welchen Tauschwert hat, er spekuliert, handelt, macht und tut. Unvergessen ist mir seine Aussage, als er vor Jahren das Bildchen des Bayernspielers Sebastian Deisler bekam:
    »Den tausche ich nicht. Wenn der nicht mehr verletzt ist, wird der was wert.«
    »Und wenn der aufhört?«
    »Dann wird er eine Legende und unbezahlbar!«
    (Mit anderen »wertvollen« oder, auch das gibt es, »superseltenen« Spielern verfährt er ebenso, die bilden, wie Tom sagt, seine »eiserne Reserve«.) Andere Jungs wollen später mal Feuerwehrmann werden, Tom wird wohl Fußballmanager oder Großbanker oder kriminell, was ja alles dasselbe ist.
    Apropos kriminell: Weil es ganz schön langwierig, statistisch zunehmend unwahrscheinlich und vor allem sehr teuer ist, auf dem Kaufwege das Sammelalbum vollzukriegen, gilt das Fußballbildchensammeln nach einem Gerichtsentscheid als verbotenes Glücksspiel. Aus diesem Grund (sonst wäre es nämlich verboten!) kann man bis zu fünfzig (fehlende) Bilder für billiges Geld direkt und »offen« beim Hersteller anfordern! Allein, die Kids wollen das gar nicht. Die wollen lieber weiter »blind« Bildchen kaufen und tauschen und den Stapel mit den »Doppelten« sowie die »eiserne Reserve« ins Unermessliche wachsen sehen; die Kids wollen nicht vernünftig sein und sparen, sie wollen lieber ein zweites, drittes Album anfangen oder eigene Alben mit »den besten Spielern überhaupt« anlegen und, und, und.
    (Auch dauert das Direktbestellen – diese Gauner! – sechs Wochen. Und sechs Wochen sind für vom Kapitalismusinfiltrierte Kinder wie meinen Sohn eine Ewigkeit!)
    Vor Kurzem allerdings hat Tom sein gesamtes Bargeld verloren, es ist ihm aus der Hosentasche gerutscht. Aber statt zu weinen, kramte Tom seine »eiserne Reserve« hervor und sagte tapfer:
    »Jetzt muss ich eben noch mal ganz von vorn anfangen.«
    Ich reichte ihm wortlos den Umhängegeldbeutel.
    Schon ein paar Tage später strahlte Tom wieder und in seiner Hosentasche klimperte es verdächtig.
    »Denk an den Umhängegeldbeutel«, ermahnte ich ihn.
    »Tu ich doch«, sagte er und zeigte ihn mir. Er war prall gefüllt mit Fußballbildchen.

Das böse »i«
    Seit mein Sohn Tom in der Schule ist, regrediert sein Wortschatz. Immer häufiger sagt er nach dem Mittagessen Sätze wie diese:
    »Hausi hab ich schon in der Kerni, Papa. Ich bin aufm Sporti, tschüssi!«
    »Hä? Was? Halt, halt, hiergeblieben, Sohn, was ist los?«
    »Oh Mann, Papa, ich will zum Fußi!«
    »Wer ist das denn? Kenn ich den?«
    »Papa – Fußballspielen! Kann ich jetzt?«
    »Und was ist mit den Hausaufgaben?«
    »Hab ich doch schon in der Kerni. Muss ich dir alles zweimal sagen?«
    Tom kürzt alles ab. Der Satz »Hausi hab ich schon in der Kerni« bedeutet: »Die Hausaufgaben habe ich schon in der Kernzeitbetreuung erledigt«, aber das wäre natürlich viel zu lang und Schulkinder haben keine Zeit! »Hausi« muss man in der »Kerni« machen,und zwar zur Zufriedenheit von »Lehmi«, also von Frau Lehmeier, der nachschulischen Kernzeitbetreuerin, denn ohne »Hausi«, so viel habe ich schon kapiert, dürfen die Kinder weder auf den »Sporti« zum »Fußi« noch auf den »Spieli« zum »Fangi« und »Verstecki«.
    Ich ertrage es nicht. Vielleicht bin ich naiv, aber ich hatte gedacht, Kinder kommen in die Schule, um Lesen, Schreiben und nicht zuletzt Sprechen zu lernen. Verstecki, Fangi, Fußi, Sporti, Süßi, tschüssi, Schoki ... das hält man im Kopf nicht aus.
    Und was sagte Toms Mutter letzte Woche zu mir?
    »Mittwoch ist Elti. Gehst du?«
    »Wohin soll ich gehen? Solange hier nicht anständig gesprochen wird, gehe ich nirgendwo mehr hin!«
    »Reg dich ab, Papa«, sagte Tom besänftigend, »ich hab der Lehmi eh schon gesagt, dass du zum Elti gehst.«
    »Na, spitze! Wenn mir jetzt noch irgendjemand von euch Sprachverstümmlern sagen könnte, was das ist!«
    »Der Elternabend«, sagten Tom und meine Liebste wie aus einem Mund.
    Der kam mir gerade recht.
    »Ja, da gehe ich gern hin!«, rief ich, »aber hallo, gehe ich da hin, zum Elti, und dann werde ich der Lehmi mal das Kopfi waschi!«
    Ich

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